: Städte haben schwer zu kauen
So manche Ortsverwaltung droht angesichts des Tarifabschlusses damit, beim „Dienstleistungsangebot für den Bürger“ künftig drastisch einzusparen
von BARBARA DRIBBUSCH
In den Landes- und Stadtverwaltungen herrschte gestern aufgeregte bis trübe Stimmung, als das Tarifergebnis im öffentlichen Dienst bekannt wurde. „Manche Kommunen klagen, sie schafften es finanziell nicht, die Lohnsteigerungen umzusetzen“, sagte Gerhard Kappius, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), zur taz. „Es ist ein Ergebnis, das einen nicht begeistern kann.“
Auf allen Kanälen funkten Landes- und Stadtobere gestern ihre Empörung. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Gernot Mittler (SPD) drohte im Südwestrundfunk mit dem Ausstieg seines Landes aus den Arbeitgeberverbänden, der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte mehr Geld für die Kommunen. Mittler erklärte, das Ergebnis sei schwer verdauliche Kost für die öffentlichen Haushalte. Er sprach von einem „Pyrrhussieg“ für die Gewerkschaft Ver.di, denn das Ergebnis sei „gewiss kein Beitrag zur Erhaltung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst“.
Ausgaben konstant halten
Der Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) kündigte laut Nachrichtenagentur ap drastische Einschnitte und auch einen Personalabbau in der Stadtverwaltung an. Trümper sagte, er habe wegen der leeren Kassen vom Stadtparlament den klaren Auftrag, die Personalkosten konstant zu halten. Um dieses Ziel trotz des Tarifergebnisses erreichen zu können, rechne er mit einem nötigen Stellenabbau von 400 bis 500 Stellen bis zum Jahr 2006.
Der Geschäftsführer des Thüringer Städte- und Gemeindebundes, Thomas Lenz, erklärte im MDR schlichtweg: „Wir haben das Geld nicht. Wir müssen daher jede Lohn- und Gehaltserhöhung durch Kürzungen beim Personal, bei Investitionen und im Dienstleistungsangebot für den Bürger bezahlen.“
Wie üblich nach Tarifverhandlungen rechneten sich gestern beide Seiten das Ergebnis schön. Während die Gewerkschaft Ver.di munter von einer Lohnsteigerung um insgesamt 4,4 Prozent sprach und dadurch mit hohen Prozentzahlen vor ihren Mitgliedern glänzte, machten Arbeitgebervertreter das Ergebnis vor ihren Mitglieder möglichst klein. Die Arbeitgeber rechneten dabei die vereinbarten Entlastungen, wie etwa Einschränkungen bei der Grundvergütung und den Wegfall eines freien Tages gegen die Prozente auf. Man sei auf eine Mehrbelastung von 1,97 Prozent im Jahr 2003 und 0,9 Prozent im Jahr 2004 gekommen, sagte Richard Wilhelm, Geschäftsführer des kommunalen Arbeitgeberverbandes Thüringen.
„Drohgebärden“ der Kommunen
Die Arbeitgebervertreter hatten gestern gewisse Mühe, ihren empörten Mitgliedern das Ergebnis zu vermitteln. Einige Gemeinden überlegten, aus dem Arbeitgeberverband auszusteigen. Das seien „Drohgebärden“, erklärte Wilhelm dazu. Wenn ein Land oder eine Gemeinde jetzt aus dem Arbeitgeberverband aussteige, gelte der jetzt ausgehandelte Tarifvertrag trotzdem weiter, bis er kündbar sei. Das ist erst im Jahre 2005 der Fall. Austritte aus den Arbeitgeberverbänden „bringen nichts“, sagte Wilhelm.
Wilhelm meinte, viele ostdeutsche Kommunen sähen nur die Prozentzahlen, die lange Laufzeit des Tarifvertrages und die vereinbarten Entlastungen relativierten das Ergebnis aber. So fließe ein Teil der Erhöhung im Osten in die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, also in die Altersvorsorge. Auch wurde in den Verhandlungen vereinbart, das Tarifrecht bis zum Januar 2005 zu reformieren und beispielsweise den Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten abzuschaffen, sagte Wilhelm. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), sagte gestern im Deutschlandradio Berlin, die ostdeutschen Länder seien unfair behandelt worden. Die Sockelbeiträge seien linear zu stark angehoben werden.
Durch den Einbruch der Einnahmen im Zuge der Steuerreform hätten sich die öffentlichen Kassen in den vergangenen zwei Jahren beträchtlich geleert, meinte VKA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kappius. Deswegen beklagten viele Gemeinden ihre Finanznot. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte im Inforadio Berlin-Brandenburg, der Abschluss bedeute für die Kommunen im laufenden Jahr höhere Personalausgaben von knapp zwei Prozent. Der Bund könnte etwa die Gewerbesteuerumlage senken, um die Gemeinden um 2,3 Milliarden Euro zu entlasten.