: Perfekte Metaphern
Von der Kunst, die Essenz eines Films im Vorspann zu komprimieren und zu illustrieren: Mit Beispielen angereicherter Abaton-Abend zur Entwicklung des Filmsvorspanns mit Titeldesignerin Ute Storm
von ECKHARD HASCHEN
Als Alfred Hitchcock sein Meisterwerk Vertigo vorbereitete, da merkte er, dass er auch für den Titelvorspann etwas ganz Besonderes brauchte. Über eine Ansicht von San Franciscos Skyline eingeblendete Titel, wie ursprünglich geplant, hätten natürlich auch ihren Zweck erfüllt, die wichtigsten Mitwirkenden des Films zu nennen, darüber hinaus aber nicht viel geleistet.
Da beschloss er, Saul Bass anzuheuern, der seit ein paar Jahren mit seinen neuartig gestalteten Titelsequenzen für Filme von Otto Preminger oder Billy Wilder von sich reden gemacht hatte. Es sollte sich auszahlen, denn Bass schuf diese unvergessliche Titelsequenz mit ihren abstrakten, spiralartigen Figuren, die sich aus dem Auge einer Frau herauszudrehen scheinen. Der von der Werbegrafik kommende Saul Bass (1920-1996) gilt in der Filmgeschichte als der erste, der die Gestaltung von Titelvorspännen zu einer Kunst machte, die sich freilich immer in den Dienst des jeweiligenFilms stellt.
Die Entwicklung dieser Kunst bis wird die Hamburger Titeldesignerin Ute Storm heute Abend in der Reihe „Film im Gespräch“ nachzeichnen. Als in den 50er Jahren mit der gestiegenen Macht der Gewerkschaften in Hollywood immer mehr Personen im Vorspann genannt werden mussten, war es Otto Preminger, der begann, diese ersten Minuten seiner Filme interessanter als üblich zu gestalten. Zum ersten Mal 1954 bei Carmen Jones und 1955 für The Man With the Golden Arm ließ er Saul Bass neben den Plakaten auch die Titelsequenzen gestalten.
Vor allem der zweite Film bedeutete einen Einschnitt: weiße auf schwarzem Grund tanzende Stäbe, die sich zu einem von oben ins Bild greifenden Arm formen, dazu Elmer Bernsteins erster Jazz-Score der Filmgeschichte. Das Grundprinzip von Basses Arbeit war und blieb: Reduktion. In einem einfachen Bild das Thema eines Films zusammenzufassen, war im Hollywood jener Jahre geradezu revolutionär. Aber Bass setzte sich mit seinem Stil durch. Und so gehen auf sein Konto neben weiteren Arbeiten für Preminger auch die sich schneidenden Linien des Beginns von Hitchcocks Psycho, an dessen legendärer Duschszene Bass ebenfalls entscheidenden Anteil hatte.
Wie gut Bass sich auch darauf verstand, Animation mit Realfilm zu kombinieren, bewies er bei seinen späteren Arbeiten für Martin Scorsese, die er gemeinsam mit seiner Frau Elaine realisierte. So fanden sie in sich öffnenden Blüten für die unterdrückten Gefühle in The Age of Innocence oder in der Synthese aus Lichtermeer, Feuerball und dem durch die Luft gewirbelten Robert De Niro für Las Vegas bei Casino perfekte Metaphern.
Gilt Saul Bass auch als der bedeutendste Titeldesigner, so gibt es natürlich noch andere, die hier Besonderes leisten. Und so wird Ute Storm auch die Arbeit von Basses Zeitgenossen Maurice Binder, dem Schöpfer der ersten James Bond-Vorspänne vorstellen, dem es bei Polanskis Repulsion gelang, dem Motiv des menschlichen Auges Neues abzugewinnen. Auch wird eine Auswahl der eigenwilligen, manchmal sogar gesprochenen Vorspänne der Filme von Jean-Luc Godard zu sehen sein. In den letzten Jahren haben sich vor allem das Gespann Randy Balsmeyer und Mimi Everett sowie Kyle Cooper mit außergewöhnlichen Titelsequenzen hervorgetan. Erstere arbeiten vor allem für Robert Altman, Spike Lee und David Cronenberg. Letzterer erregte erstmals mit seinem Vorspann zu David Finchers Seven Aufsehen, in dem er, wie in Gattaca, Schrift mit kleinsten Körperpartikeln und Beweisstücken zu einer Einheit verschmolz.
heute, 18 Uhr, Abaton (zu Gast: Titeldesignerin Ute Storm)