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Archiv-Artikel

Die Dressurreiterin mit Karriereknick

Nicht einmal zehn Monate hat sie durchgehalten, dabei war Ann Kathrin Linsenhoff doch von ihrer Eignung als Chefin der Deutschen Sporthilfe überzeugt: „Im Sport lernt man alles, was man für ein erfolgreiches Berufsleben braucht. Personalchefs räumen ehemaligen Athleten darum eine Art Siegerbonus ein.“ Der Bonus, gewährt von ihrem Vorgänger Hans Wilhelm Gäb, verwandelte sich innerhalb kürzester Zeit in einen Malus. Mentor Gäb wurde zum Widerpart. Eine erbitterte persönliche Auseinandersetzung gipfelte nun im Rücktritt der ehemaligen Dressurreiterin. „Durch die Vorkommnisse der vergangenen Wochen fehlt jegliches Vertrauen zwischen Hans Wilhelm Gäb und meiner Person“, ließ die approbierte Tierärztin von ihren Gestüt „Schafhof“ aus wissen.

Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn eine Stiftung wie die Sporthilfe Schlagzeilen schreibt. Im besten Fall erfüllt sie im Hintergrund ihren Zweck, unterstützt Sportler materiell und ideell, „zum Ausgleich für ihre Inanspruchnahme durch die Gesellschaft“, wie es in den Statuten heißt.

Mit rund zwölf Millionen Euro greift die Sporthilfe jedes Jahr etwa 3.800 Kaderathleten und 600 Internatsschülern in über 50 Sportarten unter die Arme. Zwei Drittel dieser Summe werden über Spenden sowie Benefizprogramme hereingeholt, der Rest setzt sich aus Erlösen der Fernsehlotterie Glücksspirale und der Briefmarkenserie „Für den Sport“ zusammen. Seit 1967, dem Gründungsjahr, hat die Sporthilfe 350 Millionen Euro ausgeschüttet. Sportler, die positiv auf Doping getestet werden, müssen das Fördergeld übrigens wieder zurückzahlen.

Linsenhoffs Karriere lief bis zu jenem Missverständnis bei der Sporthilfe recht mustergültig. Die Industriellentochter aus dem Taunus wurde Olympiasiegerin mit der deutschen Dressurmannschaft im Jahre 1988, später Weltmeisterin. Schon die Mutter zähmte erfolgreich Gäule: Liselott Linsenhoff gewann 1972 in München eine olympische Goldmedaille, gleichfalls auf einem Dressurpferd.

Ann Kathrin Linsenhoff musste an der Spitze der Sporthilfe freilich erkennen, dass sich Menschen in einem komplexen Gefüge wesentlich schlechter lenken lassen als gelehrige Vierbeiner. So fühlte sich Linsenhoff übergangen, als es darum ging, ihren Stellvertreter zu berufen: Fernsehmoderator Johannes B. Kerner, langjähriger Unterstützer der Sporthilfe. Gäb wiederum hatte Linsenhoff wegen fehlender Kommunikation und eines Interessenkonflikts kritisiert; sie hatte sich zur stellvertretenden Vorsitzenden des Kinderhilfswerks Unicef ernennen lassen. Ein Nachfolger bei der Sporthilfe ist noch nicht in Sicht.

MARKUS VÖLKER