soundtrack
:

Es gibt Bands, die kommen und gehen, und sie hinterlassen dabei nicht die übliche schale Luft, sondern offene Münder, staunende Musikveteranen, junge Enthusiasten. Alle schwören sich, beim nächsten Mal wiederzukommen und die Freundinnen und Freunde gleich mitzubringen, sofern vorhanden. Dyse, mitunter auch als „Evil Twins“ des Noiserock bekannt, sind eine von zwei Personen errichtete Wand aus Geräusch, an deren Musik und Live-Präsenz bei zahllosen Gastspielen der Vergangenheit sich ausnahmslos alle Anwesenden erfreuten. Gegründet in Amsterdam, begründet aber in thüringischer Ödnis, gelingt es diesem Duo, in Minimalbesetzung so viel mitreißende Dynamik und, genau, Lärm zu erzeugen, dass man besser dreimal hinguckt, um sich davon zu überzeugen, dass dort keine Bigband musiziert. Auf der Basis einer von Metal gut durchtränkten Hardcore-Sozialisation entfaltet sich hier jedenfalls eine brutale, manche würden wohl sagen konsequente Fortsetzung der großen Kunst des Gewerbes, repräsentiert von Bands wie den „Melvins“ und „Jesus Lizard“. Und spätestens dann weiß man auch, warum der Mund offen steht: Damit von dem Zeug noch mehr noch schneller reinfließen kann. Do, 25. 9., 21.30 Uhr, Hafenklang, Große Bergstraße 178 Viele gute Platten wurden „an einem Wochenende“ aufgenommen. Allgemein gilt dieser Hinweis dem Zeitbudget und als Chiffre für ein besonders intensives, spontanes und dichtes Werk. So gesehen: Gut für das Lo Fat Orchester, eine deutsch-schweizerische Coproduktion aus dem Dreiländereck. Die Band brauchte für die Aufnahmen zu ihrer ersten LP / CD nämlich genau zwei Tage und macht ziemlich genau jene Art von Musik, der Intensität, Dichte und eine latent krachige und flirrende Atmosphäre gut zu Gesicht steht. Hier geht es in der Hauptsache um Groove, im Detail um einen schönen kleinen musikgeschichtlichen Ritt vom 60s-Beat zum Soul über Trash und Pop und Tschingderassabum. Die Gitarre wurde dankenswerterweise gleich zu Hause gelassen, umso mehr Platz zur Entfaltung bieten sich der Orgel, dem stets schön vorantreibenden Bass und einem latent zwischen Hysterie und Laszivität schwankenden englischsprachigen Gesang. Es klingt nach aufgekrempelten Hemdsärmeln, aber bitte mit Krawatte! Fr, 26. 9., 22 Uhr, Astra-Stube, Max-Brauer-Allee 200 Vor wenigen Monaten erschien auf „Chicks on Speed Records“ eine recht eindrucksvolle Zusammenstellung dessen, was als relevant für feministische Musikgeschichte bezeichnet werden kann. Wo dort Genre und Epochen übergreifend Tonkunst dokumentiert wurde, fokussiert die gleichnamige „Girlmonster“-Reihe in Folge auch andere soziale Ausdrucksformen und konzentriert sich dabei vor allem auf die zeitgenössische Kunstproduktion – angefangen bei Performance Art und Videokunst, endend bei der Theoriebildung. Den Auftakt dieses Schnittstellen suchenden und darstellenden Projektes bildet eine Veranstaltung mit einem der mittlerweile legendären Performance-Auftritten der Chicks on Speed, der New Yorker Videokünstlerin A. L. Steiner und Tara de Long. Letztgenannte hat sich in der New Yorker Hip-Hop-Szene durch „explicit lyrics“ und exzessive Performances einen einschlägigen Ruf erworben, der sich nun anschickt, herüber zu hallen. Sa, 27. 9., 20.30 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20 Was musikalisch passiert, wenn man Punk und Hardcore und ihren etwas beschränkten musikalischen Ausdrucksformen entwächst, dokumentieren ganz gut die niederländischen GHIU, die nach Selbstauskunft „Ex-Noise“ machen. In diesem Fall ist das jene Art von Musik, bei der der Mund wieder geschlossen ist und die Beine ins Spiel kommen. So bewegt man sich zwischen körperlicher Munterkeit und mentaler Düsternis im Spannungsfeld von energetischen Beats, pulsierendem Bass und wahlweise Synthie- oder Gitarrenwand und nennt es Emotronic. Mit dabei: Anton Tornister aus Hamburg an der Fußorgel. So, 28. 9., 21.30 Uhr, Hafenklang NILS SCHUHMACHER