: „Keine Möglichkeit zur Integration“
Im Prozess um den Tod eines Russlanddeutschen berichtet die Mutter des Opfers über die Diskriminierung ihrer Familie
NEURUPPIN taz ■ Im Prozess um den Tod eines 22-jährigen Russlanddeutschen im Mai vorigen Jahres berichtete die Mutter des Opfers gestern von der alltäglichen Diskriminierung, der die Aussiedlerfamilie im brandenburgischen Wittstock ausgesetzt war.
Rechte Jugendliche hätten die Familie in dem Dorf, in dem sie nach ihrer Ankunft in Brandenburg im Oktober 2001 untergebracht wurde, mehrfach angepöbelt und bedroht.
Auch der 19-jährige Bruder des Opfers sei auf dem täglichen Weg zum Deutschkurs in Wittstock, den die Geschwister mit dem Fahrrad zurücklegten, immer wieder gejagt worden. „In Freyenstein gibt es keine Möglichkeit zur Integration“, resümierte die gelernte Krankenschwester Raissa Batesowa. Für ihren ältesten Sohn Kajrat, selbst Vater eines fünfjährigen Kindes, endete der Versuch tödlich, die Isolation zu durchbrechen. Wenige Tage vor seinem Tod hatte Kajrat Batesow eine eigene Wohnung in Wittstock erhalten. Im Prozess schilderte sein Freund Maxim K., wie die beiden Russlanddeutschen eine Techno-Veranstaltung in der Nähe des Aussiedlerheims in dem Wittstocker Stadtteil Alt-Daber besuchten. Weil Kajrat und er „ein komisches Gefühl“ gehabt hätten, wollten sie den Raum erst verlassen, nachdem alle anderen Gäste gegangen waren.
„Bis dahin blieben wir zu zweit, haben uns Mädchen nicht genähert und auch mit niemanden gesprochen“, erwiderte Maxim K. auf die Behauptung mehrerer Angeklagter, die Russlanddeutschen hätten durch „Zigarettenbetteln“ provoziert.
Als Kajrat Batesow und Maxim K. gegen vier Uhr morgens aufbrachen, mussten sie an einer größeren Gruppe von Jugendlichen vorbeigehen. Maxim K., der ein halbes Jahr nach der Tat noch immer unter Konzentrations- und Gedächtnisstörungen leidet, hat nur wenige Erinnerungen an die nachfolgenden Momente. „Plötzlich spürte ich von hinten einen Schlag,“ so der 21-Jährige. Er sei erst am nächsten Tag mit schweren Prellungen im Krankenhaus aufgewacht.
Kajrat Batesow lag zu diesem Zeitpunkt schon mit Leber- und Bauchriss im Koma. Wer von den fünf Angeklagten den tödlichen, 15 Kilogramm schweren Feldstein auf Kajrat Batesow warf, blieb auch am gestrigen dritten Prozesstag unklar.
Zwei Angeklagte räumten in Teilgeständnissen ein, Kajrat Batesow und Maxim K. mit Fußtritten und Schlägen angegriffen zu haben. 40 Zeugen will das Gericht hören, um den Täter zu überführen. HEIKE KLEFFNER