Eichel beglückt das Kabinett mit Plus im Minus

Und heute einmal ein paar schöne Zahlen: Im Jahr 2002 musste sich der Bund um 2,8 Milliarden Euro weniger verschulden als gedacht

BERLIN taz ■ Was eine Krise ist, hängt auch von der Wahrnehmung ab. Gestern präsentierte Finanzminister Hans Eichel (SPD) den „vorläufigen Haushaltsabschluss 2002“. Und er konnte die gute Nachricht verkünden, dass der Bund im letzten Jahr 2,8 Milliarden Euro weniger ausgegeben hat als eingeplant.

Statt einer angepeilten Neuverschuldung von 34,6 Milliarden Euro wurden nur 31,8 Milliarden nötig. Angesichts dieses plötzlichen Plus im Minus vergisst sich leicht, dass ursprünglich nur eine Neuverschuldung von 21,1 Milliarden für das Jahr 2002 vorgesehen waren.

Die unverhofften 2,8 Minus-Milliarden kamen gerade rechtzeitig, damit Eichel und Kanzler Gerhard Schröder eine regierungsinterne Debatte über das Haushaltsjahr 2003 abwürgen konnten. In der Talkshow „Christiansen“ hatte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) am Sonntag angedeutet, dass „ein bisschen mehr“ Schulden nötig werden könnten angesichts der Konjunkturschwäche. „Abstrakt“ wollte Eichel da nicht widersprechen, sprach aber von „einer überfüssigen Debatte“. Es bleibe bei der geplanten Neuverschuldung von 18,9 Milliarden Euro.

Allerdings ist klar: Die Bundesregierung wird ihre Konjunkturprognose Ende Januar im Jahreswirtschaftsbericht korrigieren. Bisher erwartet der Haushalt 2003 noch ein Wachstum von 1,5 Prozent; künftig dürfte es nur noch ein Prozent sein. Und da ein halbes Prozent Wachstum für den Bund eine Milliarde Euro weniger an Steuereinnahmen bedeutet, waren sich Eichel und Schröder gestern einig: Die Etatprobleme seien „beherrschbar“.

Weniger Wachstum bedeutet aber auch mehr Arbeitslose: Einen Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit schloss Eichel jedoch aus. Da das Arbeitslosengeld ein Rechtsanspruch ist, dürfte dies bedeuten, dass etwa die Qualifizierungsangebote weitergestrichen werden.

Doch auf genaue Zahlen zum Thema Wachstum wollten sich Eichel und Schröder nicht festlegen. Sie lehnten es ab, „eine Prognose über die Prognose“ des Jahreswirtschaftsberichts abzugeben. Dieser wird neuerdings wieder im Wirtschaftsministerium erstellt.

Eichel zeigte sich gegenüber „Kollege Clement“ einfühlsam: Er räumte ein, dass beim Jahreswirtschaftsbericht „auch die psychologischen Seiten“ gesehen werden müssten. Clement hatte sich erfolglos gegen eine korrigierte Konjunkturprognose gesträubt, weil er Optimismus für einen Wachstumsfaktor hält.

ULRIKE HERRMANN