Für Bagdad erlaubt und verboten

Berichte über Funde der Inspektoren werfen Fragen auf. In UNO-Resolutionen ist festgelegt, welche Waffen Bagdad besitzen und produzieren darf und welche nicht. Genehmigt sind Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 150 Kilometern

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Angesichts der jüngsten Berichte über Funde der UNO-Inspektoren im Irak, die möglicherweise im Zusammenhang mit Massenvernichtungswaffen stehen könnten, ist die Verwirrung groß: Was haben die UNO-Inspektoren tatsächlich gefunden? Welche Waffen darf Irak herstellen, welche nicht? Was darf Bagdad importieren? Welche Angaben zu konventionellen Rüstungsprogrammen und -importen hat die irakische Regierung in ihrem Waffenbericht an die UNO gemacht, der dieser Zeitung in Auszügen vorliegt?

Gefunden haben die Inspektoren der Unmovic Materialien für die Antriebstechnik von Raketenmotoren. Die entsprechenden Informationen über diese Funde, die am Dienstag Schlagzeilen machten, sind bereits alle in dem Bericht enthalten, den Unmovic-Chef Hans Blix am 9. Januar dem UNO-Sicherheitsrat vortrug. Bei dieser Gelegenheit stellte Blix ausdrücklich fest, es sei noch offen, ob die gefundenen Materialien für die dem Irak erlaubte Herstellung von Kurzstreckenraketen mit Reichweiten von bis zu 150 Kilometern bestimmt seien oder für die von der UNO verbotene Produktion von Raketen mit größerer Reichweite. Die Unmovic hatte die Fabrik, in der Irak Kurzstreckenraketen herstellt, seit dem 27. November mehrfach inspiziert und dabei keine Hinweise auf verbotene Aktivitäten zur Reichweitenverlängerung und zum Bau verbotener Raketentypen gefunden. Entsprechende Vorwürfe hatten die USA und Großbritannien erhoben.

Welche Waffen der Irak besitzen und produzieren darf, ist in der nach dem Golfkrieg vom Frühjahr 1991 verabschiedeten Waffenstillstands-Resolution 687 des UNO-Sicherheitsrates geregelt. Verboten sind Herstellung und Besitz von Raketen mit Reichweiten von über 150 Kilometern sowie von atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen. Die Resolution legte fest, dass alle existierenden Bestände an solchen Waffen sowie von dazu erforderlichen Grundstoffen unter internationaler Kontrolle zerstört werden müssen.

Zu einem etwaigen Bezug der Funde für Massenvernichtungswaffen, über die in einigen Berichten der letzten Tage spekuliert wurde, äußerte sich Blix vor dem Sicherheitsrat nicht. Theoretisch lassen sich auch Kurzstreckenraketen mit atomaren, chemischen oder biologischen Sprengköpfen bestücken. Die Unmovic hat bei ihren bisherigen Inspektionen jedoch keine Indizien, geschweige denn Beweise dafür gefunden, dass Irak über entsprechende ABC-Sprengköpfe verfügt. Daher hat die Unmovic bislang keinen Anlass, der Darstellung der irakischen Regierung zu widersprechen, wonach es sich bei dem Kurzstreckenraketen-Programm um ein ausschließlich konventionelles Programm handelt.

Die Unmovic bezeichnet die gefundenen Materialien als Schmuggelgut, macht aber bislang keine konkreten Angaben über ihre Herkunft. Die Unmovic ist bei ihren bisherigen Inspektionen mehrfach auf verbotene Einfuhren gestoßen. „Wir haben auch Fälle erforscht, in denen klar ist, dass Irak waffenfähiges Material in Verletzung des Verbotes der Sicherheitsratssanktionen importiert hat“, erklärte Blix in einem Interview. Diese Importe reichten „bis ins Jahr 2.002“. Grundsätzlich verbieten die umfassenden Wirtschaftssanktionen, die der UNO-Sicherheitsrat nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait im August 1990 gegen Bagdad verhängte hatte (Resolution 661), natürlich auch jegliche rüstungsrelevanten Importe. In der Resolution 687 wurden die umfassenden Wirtschaftssanktionen vom Sicherheitsrat verlängert als Druckmittel, um die Verschrottung aller irakischen Massenvernichtungswaffen und Raketen mit Reichweiten von über 150 Kilometern zu erzwingen. Ausnahmen von den Sanktionen sind seit Dezember 1996 möglich im Rahmen des Programms „Öl für Nahrungsmittel“.

Damit sollen verstärkt humanitäre Güter in den Irak gelangen, wie Nahrungsmittel, Medikamente, medizinische Geräte sowie Ersatzteile für die Reparatur von Trinkwassersystemen und andere für das Überleben und die Gesundheit der irakischen Bevölkerung relevanten Teile der zivilen Infrastruktur des Landes. Rüstungsrelevante Importe sind unter dem Programm Öl für Nahrungsmittel ausdrücklich ausgeschlossen.

Bagdad hat selber Importe für sein konventionelles Rüstungsprogramm und damit Verstöße gegen die Wirtschaftssanktionen der UNO eingeräumt. In ihrem Anfang Dezember an den Sicherheitsrat übermittelten Waffenbericht, der dieser Zeitung in Auszügen vorliegt, listet die irakische Regierung eine Reihe ausländischer Firmen auf, die bis ins Jahr 2.002 konventionellen Rüstungsprogrammen zugeliefert haben. Darunter sind auch deutsche Unternehmen. Unter anderem gibt Bagdad den Import von Spezial-Aluminiumröhren für ein konventionelles Kanonenprojekt zu sowie von Spezialwerkzeugen für die Bohrung von Kanonenrohren. Diese Zugeständnisse erfolgen mit Blick auf solche Rüstungsprojekte, bei denen die USA und Großbritannien den Vorwurf erheben, hier würden verbotene Massenvernichtungswaffen bzw. Raketen mit Reichweiten von über 150 Kilometern hergestellt. So haben Washington und London unter anderem behauptet, die Spezial-Aluminiumröhren seien für den Bau einer Urananreicherungs-Anlage zur Entwicklung von Atomwaffen bestimmt. Nach Aussage des Direktors der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Mohammed al-Baradei, vor dem Sicherheitsrat haben die bisherigen Inspektionen jedoch ergeben, dass die Version Bagdads, die Röhren seien für ein konventionelles Rüstungsprojekt bestimmt, „mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zutrifft“.