Parfum muss keine Sünde mehr sein

EU-Parlament stimmt dem Kompromiss zur Kosmetikrichtlinie zu. Der Stopp von Tierversuchen für die Verträglichkeit von Kosmetika gilt aber erst ab 2009. Frühestens. Tierschützer monieren, dass die Regelung immer noch Schlupflöcher enthält

aus Straßburg HANNA GERSMANN

Kaninchen, Mäuse, Ratten sollen künftig nicht mehr leiden, damit der Mensch sich cremt und hübscht: Gestern verabschiedeten die EU-Parlamentarier die umkämpfte Neuauflage der Kosmetikrichtlinie. Danach dürfe Beiersdorf und Co. die Verträglichkeit ihrer Produkte nicht mehr an Tieren testen. Das komplette Verbot kommt allerdings erst in zehn Jahren. Viel zu spät, kritisieren Tierschützer. Zudem monieren sie Schlupflöcher.

Spätestens ab Herbst müssen Hersteller angeben, bis wann ihre Cremes und Seifen geschlossen und geöffnet haltbar sind. Auch Inhaltsstoffe wie Bergamotte oder Lavendel, die Allergien auslösen können, müssen auf der Verpackung genannt sein.

In Straßburg dauerte es gestern keine drei Minuten, da hatten die Parlamentarier das Papier angenommen, das zuvor drei Jahre lang die EU-Gremien durchlaufen hatte. Insgesamt wird schon seit mehr als zehn Jahren um das Aus für die Tierversuche gerungen. Die Großen der Branche wie die französische L’Oréal argumentierten, der Markt sei gesättigt, man müsse also neue Produkte entwickeln und testen. 1998 und 2000 war das Verbot beinahe schon durchgesetzt, aber beide Male verschob die EU-Kommission es wieder. Begründung: Alternative Testmethoden fehlten.

So litten jedes Jahr rund 40.000 Tiere unter den hässlichen Tests im Dienste der Schönheit, schätzt der Bundesverband der Tierversuchsgegner (BDT). Allerdings nicht in Deutschland, Großbritannien und Österreich, wo es nationale Regelungen gibt. Abgenommen hat die Zahl aller Tierversuche aber nicht. Die meist internationalen Firmen verlagerten ihre Labors nach Japan oder in die USA. Nun sind sie gezwungen, alternative Verfahren zu entwickeln. Denn das EU-Verbot gilt auch für Importe.

Bei Tests, ob Haut oder Augen verätzt werden können, haben die Hersteller bis 2009 Zeit, den Tierversuch zu ersetzen. Cremes können schon heute auf künstlicher Haut erprobt werden. Schwieriger und aufwändiger sind Tests, ob Krebs ausgelöst oder das Erbgut geschädigt werden kannn. Deshalb läuft deren Frist bis 2013. Und sie kann auch noch einmal verlängert werden.

Tierschützer sind enttäuscht. Corina Gericke vom BDT sagte der taz: „Nicht einmal 2013 ist ein Schlussstrich unter diesem traurigen Kapitel garantiert, wieder einmal lässt sich die EU ein Hintertürchen offen.“ Rund 8.500 Inhaltsstoffe seien längst getestet. Das müsse doch reichen, um neue Kosmetika zu mischen.

„Tierschützer sollten jeden Tag eine Kerze anzünden, eine besseres Ergebnis war nicht möglich“, wetterte die SPD-Parlamentarierin Dagmar Roth-Behrendt. Als das Versuchsverbot Ende letzten Jahres endgültig zu scheitern drohte – das Parlament forderte es für 2005, die EU-Minister lehnten es ganz ab –, hatte sie den Kompromiss mit den Regierungen erstritten. Einige Zweifel sind ihr aber wohl auch geblieben. Sonst hätte sie gestern EU-Kommissar Likkanen und Co. nicht zugerufen: „Nie wieder will ich mit euch über das Aus von Tierversuchen der Kosmetikkonzerne debattieren.“