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Archiv-Artikel

Nutznießer sind die Tchibo-Chefs

Bis 2002 besaß die Hamburger Unternehmerfamilie Herz 75 Prozent an Reemtsma

BERLIN taz ■ Wenn die Vorwürfe stimmen, war die Hamburger Unternehmerfamilie Herz die Hauptnutznießerin der kriminellen Aktivitäten. Sie hatte ihren 75-prozentigen Anteil an Reemtsma (West, R1, Ernte 23, Davidoff) in ihrer Tchibo-Holding untergebracht. Dort ist neben dem Kaffeegeschäft (Tchibo, Eduscho) auch ein 30-prozentiger Anteil am Pharmakonzern Beiersdorf (Nivea, Tesa, Hansaplast) integriert. Um bei Beiersdorf Mehrheitseigentümer werden zu können, hat Firmenpatriarch Günter Herz seinen Reemtsma-Anteil im letzten Jahr für 5,3 Milliarden Euro an Imperial Tobacco verkauft. Dumm nur, dass Beiersdorf-Großaktionär Allianz sich bis jetzt taub stellt; dem Versicherungskonzern gehören die 38 Prozent, auf die es Herz abgesehen hatte. Inzwischen hat Herz andere Sorgen: Familienzwist hat ihn aus dem Konzern gedrängt.

Wie viel weiß er, wie viel der letzte Reemtsma-Vorstandsvorsitzende Thierry Paternot, der letztes Jahr zur französischen Holding Fimalac gewechselt ist, wie viel der Imperial-Vorstand? Wohlbekannt ist in der Branche die Zusammenarbeit mit Profischmugglern, denen der Hauptverdächtige Manfred Häussler wenigstens zum Teil seinen zehnjährigen Aufstieg vom Exportleiter bis zum Chefposten bei Reemtsma und zum Einzug in den Imperial-Vorstand verdankt – der extra mit Häusslers Verdiensten um den Reemtsma-Export begründet wurde. Wie sehr Häussler von oben gedeckt wurde, wird, wenn überhaupt, erst beim Prozess zu erfahren sein. Der Vorwurf lautet derzeit nur auf Unterstützung einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Gar nichts mehr mit dem Tabakkonzern hat Jan Philipp Reemtsma zu tun, der das Unternehmen 1978 im Alter von 28 Jahren erbte und 1980 für 300 Millionen Mark (nach Steuern) an Herz verkaufte. Als Mäzen und Privatgelehrter unterstützte er den armen Schriftsteller Arno Schmidt und gründete die Hamburger Stiftung für Sozialforschung, deren guter Ruf durch die berechtigte Kritik an ihrer ersten Wehrmachtsausstellung gelitten hat. DIETMAR BARTZ