Bessere Kinder mit PID

Reproduktionsmediziner drängen auf die Zulassung der Embryonenselektion im Reagenzglas. Eine Eingrenzung auf wenige Risikopaare sei nicht möglich, warnen Kritiker. Nächste Woche will der Nationale Ethikrat eine Stellungnahme vorlegen

von THERESIA MARIA DE JONG

Nächste Woche wird der Nationale Ethikrat seine Stellungnahme zu einer Technik abgeben, mit der Embryonen noch vor Einsetzung in den Mutterleib auf Erbgutschädigungen gescreent werden können. Es bedarf keiner übersinnlichen Fähigkeiten, um das Ergebnis vorhersagen zu können. Der als forschungsfreundlich eingestufte Rat wird sich für die PID – unter bestimmten Auflagen – aussprechen.

Worum geht es dabei eigentlich? Vordergründig soll die Präimplantationsdiagnostik (PID) Paaren, die Träger einer Erbkrankheit sind, zu gesunden Kindern verhelfen. Ob dies Versprechen eingehalten werden kann, darf bezweifelt werden. Denn diese Genuntersuchung im Frühstadium der menschlichen Entwicklung ist nur mit Methoden der künstlichen Befruchtung möglich. Dies allein bedeutet vorprogrammierte Probleme.

Erstens sind die Chancen, dass es auf diese Weise überhaupt zu einem Kind kommt, eher gering. Von 61.531 Behandlungen im Jahr 2000 endeten lediglich 5.327 in einer Geburt. Das sind mit knapp 9 Prozent wahrlich keine sonnigen Aussichten. Zum anderen kommen 18 Prozent der durch eine In-Vitro-Fertilisation (IVF) gezeugten Einlinge und 73 Prozent der IVF-Zwillinge zu früh zur Welt. Weit über die Hälfte der extremen Frühchen trägt lebenslange zum Teil schwerwiegende Behinderungen davon.

Das Versprechen von einem gesunden Kind erweist sich also bei näherem Hinsehen als äußerst schwach. Das insbesondere auch deshalb, weil Kinder, die per IVF gezeugt werden, einer doppelt so hohen Gefährdung ausgesetzt sind, mit einem schweren Geburtsfehler (Nieren- oder Herzfehler) geboren zu werden, als Kinder, die natürlich gezeugt werden.

Dies jedenfalls ist das Ergebnis mehrerer internationaler und deutscher Studien. Alan A. Mitchell von der Boston University of Public Health zieht den Schluss: „Für Paare, die nicht unfruchtbar sind, führt der Einsatz reproduktionsmedizinischer Technologie zu einem bedauerlichen – und vermeidbaren – übermäßigen Risiko, ein Kind mit zu niedrigem Geburtsgewicht oder Geburtsfehlern zu bekommen.“

Noch höher liegt das Risiko von Fehlbildungen bei der besonders invasiven ICSI-Methode (Intra-Cyto-Plasmatische Spermien Injektion – das Spermium wird von Medizinern in die Eizelle eingespritzt). Die Ergebnisse des Geburtenregisters „Mainzer Modell“ an der Uni-Kinderklinik in Mainz zeigen dies deutlich: Bei Geburten nach spontaner Konzeption waren 7,1 Prozent der Kinder fehlgebildet; bei IVF waren es 9,5 Prozent und bei ICSI schon 22,8.

Die Wahrscheinlichkeit ein behindertes Kind zur Welt zu bringen, erhöht sich bei der ICSI-Methode um das 2,7-fache. Das ist nach Auskunft von Annette Queißer-Luft von der Mainzer Kinderklinik vergleichbar mit dem Risiko, das Verwandte bei einer Zeugung eingehen würden. Von Verwandtenehen wird dringlichst abgeraten, sie sind mit Tabu belegt, ICSI wird von der Krankenkasse erstattet.

Doch zurück zur PID. Wenn es nicht die 150 Hochrisikopaare in Deutschland sind, die von der PID wirklich etwas haben, wer profitiert dann? Warum wird so verbissen um die Zulassung gekämpft? Nun, ohne PID ist vieles nicht oder nur schlecht machbar. Zum Beispiel in der Reproduktionsmedizin. Einer der Gründe für die nach wie vor geringe „Erfolgsquote“ bei der künstlichen Befruchtung ist die hohe Anzahl an Frühabgängen.

Mediziner hoffen auf bessere Einnistungschancen durch eine genetische Vorauswahl per PID. Embryonen mit wenigen Chancen auf Einnistung können so von vornherein aussortiert werden. Zwar ist PID zunächst nur für die viel zitierten Hochrisikopaare vorgesehen, aber eine Ausweitung wird offenbar stillschweigend vorausgesetzt. Nicht umsonst fürchten PID-Befürworter die Aufstellung einer Indikationsliste wie der Teufel das Weihwasser.

Die Soziologieprofessorin Elisabeth Beck-Gernsheim, die dem Kanzler bei der Zusammenstellung des Ethikrats eine Absage erteilt hatte, ist überzeugt, dass sich die Ausweitung der PID kaum aufhalten lasse: „Eine begrenzte Anwendung der PID nur bei genetisch belasteten Eltern könnte sogar zu haftungsrechtlichen Konsequenzen führen“, befürchtet sie. Beck-Gernsheim beruft sich dabei auf eine Aussage der Medizinethikerin Christiane Woopen, Mitglied des Ausschusses für „Ethische und medizinisch-juristische Grundsatzfragen“ der Bundesärztekammer und im Nationalen Ethikrat: „Andere Paare würden möglicherweise den Einsatz der Methode einklagen, um ihre Chancen zu verbessern.“

Allerdings ist fraglich, ob sich unfruchtbare Paare einen Gefallen tun, wenn sie die Einführung der PID unterstützen. Denn Nutznießer der PID wäre noch eine ganz andere Gruppe. Die der deutschen Stammzellforscher nämlich. Je mehr Embryonen untersucht und – zwangsläufig – aussortiert werden, desto größer wird der Pool an verfügbarem „Forschungsmaterial“.

Zurzeit wären deutsche Forscher gar nicht in der Lage eine eigene Stammzelllinie zu entwickeln, da es in Deutschland zu wenig „übriggebliebene“ Embryonen gibt, die beforscht werden könnten. Dieser eklatante „Embryonenmangel“ für die Forschung ergibt sich aus dem Embryonenschutzgesetz, welches verfügt, dass lediglich befruchtete, aber noch nicht verschmolzene Vorkerne eingefroren werden dürfen.

Um aber nur eine einzige Stammzelllinie zu entwickeln, bedarf es mehrerer hundert Embryonen. Es scheint sich in Zukunft eine unheilige Allianz zwischen Reproduktionsmedizinern und Stammzellforschern anzubahnen, die in England bereits dokumentiert ist. Dort werden in IVF-Zentren mit Forschungsabteilung Paaren weniger eingefrorene Embryonen eingesetzt, als in solchen ohne.

Auch die Forschung für therapeutisches und damit letztendlich auch für reproduktives Klonen benötigt genetisch vorselektiertes „Ausgangsmaterial“, sprich beforschungsfreie Embryonen. Wie lange sich Forscher allerdings noch mit den qualitativ „Schlechten“ zufriedengeben, dürfte auch nur eine Frage der Zeit sein.

Von der Autorin Theresia Maria de Jong ist kürzlich das Buch „Babys aus dem Labor“, Beltz Verlag, mit einem ausführlichen Kapitel zur PID erschienen