: Moskau wird in Bagdad vorstellig
Russlands Vizeaußenminister will eine politische Lösung für den Irak-Konflikt suchen. Die Reise könnte im Zusammenhangmit Bemühungen stehen, Saddam Hussein einen Abgang ins Exil zu verschaffen. Auch Lukoil-Vertreter sind mit von der Partie
von KARIM EL-GAWHARY
Russland will offensichtlich in der Irak-Krise mehr Flagge zeigen. Nun ist der russische Vizeaußenminister und ausgewiesene Irak-Experte Alexander Saltanow nach Bagdad gereist, um, wie er bei seiner Ankunft erklärte, „eine diplomatische und politische Lösung für den Konflikt zu finden“. Er soll sich bis Ende der Woche zu Konsultationen in der irakischen Hauptstadt aufhalten, bevor er nach Jordanien und in den Libanon weiterreist.
Seit Tagen machen Berichte einer „russischen Friedensinitiative“ die Runde. Nach Informationen der taz (9. 1. 03) bemühen sich Moskau und Washington, Saddam Hussein zur Abdankung und zum Gang ins Exil zu bewegen. Die Bagdad-Visite Saltanows könnte möglicherweise damit in Zusammenhang stehen.
Erst vor wenigen Tagen hatte der russische Außenminister Igor Iwanow anlässlich des Besuches des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde Muhammad al-Baradei in Moskau davor gewarnt, dass „ein Krieg zu gefährlichen Konsequenzen für den gesamten Weltfrieden führen könnte“. Russland besteht in jedem Fall auf einer weiteren Resolution, bevor es zu einem von der UNO sanktionierten Krieg kommen könnte.
Seit November halten sich auch hartnäckig Gerüchte, Russland versuche, seine guten Kontakte zur irakischen Armee zu nutzen, um einen Militärputsch zu organisieren und so einen Krieg zu verhindern. Der russische Vizestabschef General Juri Balujewski hatte in einem Interview am 9. Januar in der Tageszeitung Moskowsky Komsomolets die USA offen aufgerufen, Saddam Hussein zu „beseitigen“, anstatt einen massiven Angriff vorzubereiten, der viele zivile Opfer zur Folge hätte.
Bisher scheint Washington diese Versuche allerdings eher skeptisch zu beobachten, aus Sorge, dass eine Putschregierung den USA nicht genug Einfluss im Land ermöglicht, wie aus Geheimdienstkreisen verlautet. Der russische Präsident Wladimir Putin soll inzwischen die Putschvorbereitungen gestoppt haben, da die Staatsstreichkandidaten von Washington angeblich abgelehnt worden seien. Außerdem soll ein Teil der irakischen Armee signalisiert haben, dass ein Coup einfacher sei, wenn die US-Angriffe begonnen hätten.
Der russische Vizeaußenminister wird bei seiner Bagdad-Visite vom Vizeenergieminister und Vertretern der größten russischen Ölfirma Lukoil begleitet. Am 12. Dezember hatte das irakische Energieministerium einen milliardenschweren Vertrag zur Ausbeutung der irakischen West-Qurna-2-Ölfelder seitens Lukoil für null und nichtig erklärt. Offiziell heißt es, der Vertrag sei aufgehoben worden, weil die russische Firma noch nicht mit den Arbeiten begonnen hatte. Die Ausbeutungsrechte im Wert von 3,7 Milliarden Dollar waren Lukoil vor fünf Jahren mehr oder weniger als Dank für die russische Position im UN-Sicherheitsrat zugesprochen worden. Offensichtlich hatten Lukoil-Vertreter Ende letzten Jahres Panik bekommen, als die von Washington unterstützte irakische Oppositionsgruppe „Iraqi National Congress“ verkündet hatte, alle von der irakischen Regierung aus politischer Gunst vergebenen Ölverträge überprüfen zu wollen, wenn sie einmal in Bagdad an der Macht ist. Lukoil nahm darauf Kontakt zu der Oppositionsbewegung auf, was die Regierung in Bagdad so verärgerte, dass sie der russischen Firma die West-Qurna-Ausbeutungsrechte wieder entzog. Um Moskau als Verbündeten im Sicherheitsrat nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen, verkündete Bagdad inzwischen, dass die Schöpfungsrechte einer anderen russischen Firma zukommen könnten. Insgesamt besitzen russische Firmen im Irak Ölkonzessionen im Wert von 10 Milliarden Dollar.