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Archiv-Artikel

Ein Wohnzimmer im Palast

Schnell noch mal vorbeigeschaut: An jedem Werktag stellt die Radio-Eins-Moderatorin Marion Brasch im Gespräch Künstler vor, die man kurz darauf live in Clubs und anderen Szenen der Stadt erleben kann. Ein Besuch in ihrem Studio im Admiralspalast

VON DAVID DENK

Marion Brasch wendet der Stadt den Rücken zu, wenn sie mit ihr spricht. Das ist nicht unhöflich gemeint, sie hat keine andere Wahl. Keine fünfzig Meter hinter ihr rattern, durch das Studiofenster gut zu erkennen, Züge in den Bahnhof Friedrichstraße und wieder raus, Brasch kann sie nur hören. Von ihrem Barhocker guckt sie auf den Techniker Germar Redlich, von Berlin aber sieht sie nichts.

Brasch moderiert werktags von 19 bis 21 Uhr „Eins am Abend“, ein Magazin mit vielen aktuellen Veranstaltungstipps, das, im Gegensatz zum sonstigen Radio-Eins-Programm, seit Sommer 2007 nicht mehr aus Potsdam-Babelsberg kommt, sondern aus Berlin-Mitte, aus diesem kinderzimmerkleinen Studio im Admiralspalast, in dem Brasch ihren Gästen gerade Mineralwasser serviert. An diesem Freitag sind das der Musiker Matthias Schrei mit dem kruden Künstlernamen „formerly unknown as die Blockflöte des Todes“ und seine Begleiter Sven Rathke alias „Sven Van Thom“, auch bekannt als Sänger von „Beatplanet“, und Ute Kneisel. „Illute“, wie sie sich auf der Bühne nennt, hat gerade zum Soundcheck „Las Lagrimas“ gespielt hat, eine Eigenkomposition, die klingt wie ein lateinamerikanisches Traditional, so anmutig und traurig. Im Studio war es plötzlich ganz still.

Alle drei Gäste werden an diesem Abend in Berlin auftreten, an unterschiedlichen Orten; zusammengebracht hat sie Brasch. Sie ist seit dem Sendestart 1997 bei Radio Eins und genießt es, für die Abendsendung mit Hilfe ihrer MySpace-Kontakte in Abstimmung mit der Redaktion auch selbst ihre Gäste auszuwählen. „Diese Sendung macht viel mehr Arbeit als die aus dem Studio in Potsdam“, sagt sie, „aber auch viel mehr Spaß.“

Einsatz, der belohnt wird. Seitdem Radio Eins „einen Fuß in der Stadt hat“, wie der Wellenchef Florian Barckhausen sagt, haben die Hörerzahlen deutlich zugenommen und auch die Werbeblöcke werden länger. Dass Brasch hier nicht, wie im fernen Potsdam üblich, die Sendung selber „fahren“ muss, sondern einen Techniker dabeihat, freut die Moderatorin sehr. So kann sie sich besser um ihre Gäste kümmern. „Erst kommen die Nachrichten, dann ein Jingle. Dann sagt die Tante Guten Tag und dann erst geht’s los“, erklärt sie ihnen den Ablauf.

Nach dem Opener von Nirvana beginnt „das erste Sammelinterview in der Geschichte von Radio Eins“. Sven Van Thom appelliert an die Zuhörer, insbesondere an seine Tochter, Blockflöte zu lernen, „das ist der Beginn von allem“, und Matthias Schrei verspricht: „Marion, ich nehme meinen Hut ab, das sieht man im Radio zwar nicht, aber ich werde dir auf jeden Fall Bescheid sagen, sobald ein neues Album von mir erscheint.“ Dann spielt der Mann mit dem Thomas-Jefferson-Bart und dem dazu passenden Zylinder noch seinen Song „Warum meine Freundin mich verlassen hat“: „Jetzt bin ich wieder Single und ich wollt nur, dass ihr wisst, mit Neurodermitis ist man ganz schön angepisst.“

Nachdem die Musiker ihre Instrumente verstaut und sich verabschiedet haben, wird es schlagartig ruhiger im Studio. Im Radio läuft ein Interview mit dem Musiker und Grafiker Klaus Voormann, das Brasch am Tag zuvor geführt hat. „Die Gäste wundern sich immer, wie unkompliziert das hier ist“, sagt sie. „Und diese Wohnzimmeratmosphäre hört man.“ Später kommen noch die Kollegen Knut Elstermann und Andreas Müller, der eine, um den RBB-Kultfilm für den kommenden Tag vorzustellen, und der andere, um das Mikrofon zu übernehmen. Gemeinsam wundert man sich noch über das Filmteam, das draußen im Hof irgendwas Überflüssiges mit den Ochsenknecht-Kindern dreht, und dann heißt es für Brasch Abschied nehmen: „Sie haben hoffentlich ein schönes Wochenende, das wünschen wir Ihnen von Herzen. Schönen Abend sagt Marion Brasch.“