: Juristisches
Angeregt von der Friedensbewegung der Achtzigerjahre klagen das Netzwerk Friedenssteuer, aber auch pazifistische Glaubensgemeinschaften wie die Quäker oder die Mennoniten seither für ein Recht auf Steuerverweigerung aus Gewissensgründen. Im Kern berufen sie sich dabei auf Artikel 4 des Grundgesetzes, der die Gewissensfreiheit garantiert.
Die gängige Rechtsprechung befindet, dass laut Verfassung über die Verwendung der Steuergelder allein das Parlament entscheide. Der Bürger dürfe darauf keinen direkten Einfluss haben und könne sich deshalb auch nicht auf sein Gewissen berufen. Das Bundesverfassungsgericht wies zuletzt 1992 unter Federführung von Roman Herzog solch eine Berufung aufs Gewissen bei der Steuer als „offensichtlich unbegründet“ zurück. Dementsprechend hätte auch der Steuerboykott gegen den „Räuberstaat“, zu dem der Publizist Arnulf Baring kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aufrief, keine Erfolgsaussichten – zumal er sich nicht auf ein Grundrecht wie die Gewissensfreiheit berufen kann.
Die Gewissensfreiheit gehört zu den höchsten Grundrechten. Nur wenn zwei Grundrechte kollidieren, darf ein Ausgleich gesucht werden. „Karlsruhe geht aber weiter und lässt dies überhaupt für jeden Verfassungswert gelten“, kritisiert Paul Tiedemann, Richter beim Verwaltungsgericht in Frankfurt/Main. Auf diesem Wege werde dann auch die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu einem solchen Verfassungswert, der gegen die Gewissensfreiheit abgewogen werden kann. „Der Fehler bei dieser Argumentation ist, dass der Staat für die Grundrechte da ist und nicht für die Bundeswehr. Hier werden Zweck und Mittel miteinander abgewogen“, so Tiedemann.
Bisher wehrte das Bundesverfassungsgericht Steuerverweigerer mit dem Argument ab, dass die Bundeswehr laut Verfassung ohnehin nur zur Landesverteidigung eingesetzt werden dürfe. In seiner jetzigen Klage verweist Sebastian Fleischhack auf die Kriege im Kosovo und in Afghanistan. Das Gericht müsste die Rechtslage neu beurteilen.
Als Alternative schlägt das „Netzwerk Friedenssteuer“ einen staatlichen Friedensfonds vor. Die dort eingezahlten Steuern sollen garantiert nicht militärisch verwendet werden. Ähnlich wie beim Zivildienst könnte das mit einem gewissen Aufschlag von beispielsweise zehn Prozent verbunden sein.
ANDREAS ROTH