Endlich sichtbar

Renovierung des alten Gebäudes wäre teurer: Zentralbibliotheks-Umzug an den Hühnerposten erhöht das Renommee und spart Geld

„Das Haus an den Großen Bleichen wird kaum gefunden, und deshalb haben wir Alternativen gesucht“

von PETRA SCHELLEN

Es riecht nach einer teuren Interimslösung, ist aber eine Befreiung: Für fünf Jahre soll die Zentralbibliothek ab Dezember 2003 ins alte Postgebäude am Hühnerposten einziehen, bevor man endgültig am Domplatz siedelt (taz berichtete).

Nicht ganz Unrecht hat daher, wer fragt, ob sich der 500.000 Euro teure Umzug mit 450.000 Medien von den Großen Bleichen an den Hauptbahnhof für die paar Jahre lohnt; hätte Hella Schwemer-Martienßen, Leiterin der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen (HÖB) doch gut noch warten können, bis die schon oft geplante Domplatz-Bebauung anno 2008 Wirklichkeit werde...

Jedoch – ganz so einfach rechnet sich‘s nicht: „In den kommenden drei bis vier Jahren hätten wir in den Großen Bleichen etliche Sanierungen durchführen müssen, die immer wieder zu Schließungen geführt hätten“, sagt Hella Schwemer-Martienßen. Da wäre einmal der Fußboden, der nach 18 Jahren komplett erneuert werden muss –eine der aufwendigsten Maßnahmen überhaupt. Auch Decken und Beleuchtung sowie die Sonnenschutz-Lamellen und Fahrstühle sind sanierungsbedürftig. 600.000 bis 700.000 Euro hätten sämtliche an den Großen Bleichen nötigen Renovierungen gekostet. Von den HÖB selbst zu tragende Kosten, die entfallen, wenn die Zentralbibliothek an den Hühnerposten zieht, da Renovierung und Umzug der dortige private Investor zahlt.

Doch damit ist die Liste der Probleme am aktuellen Standort nicht geschlossen: „Wir werden auf Grund unseres versteckten Eingangs schlicht nicht gefunden,“ sagt Schwemer-Martienßen. Seit langem laufen deshalb Verhandlungen mit dem Ohnsorg-Theater, über dessen Personaleingang die HÖB – mit zehn Millionen Ausleihen 2002 nutzerstärkste Kulturinstitution Hamburgs – seit 1996 zugänglich ist. Mit mäßigem Erfolg: „Ich hätte mir eine einvernehmliche Lösung gewünscht, aber es hat sich nicht ergeben. Also haben wir nach Alternativen gesucht“, sagt Schwemer-Martienßen.

Ein Problem, das an der Kulturmeile am Hauptbahnhof nicht aufkommen wird: „Das Alte Postgebäude eignet sich optimal, ist repräsentativ und gut gelegen“, sagt die Bibliotheks-Chefin. Seit rund zwei Jahren verhandelt sie über den Hühnerposten, „und zu Verhandlungsbeginn war dieser Ort gar nicht als Interimslösung gedacht. Es war einfach ein Ausloten verschiedener Varianten. Im Sommer 2002 – und endgültig auf Grund des Senatsbeschlusses vom Dezember – wurde die Domplatz-Option konkret. Von diesem Zeitpunkt an liefen Parallelverhandlungen, deren Resultat die Fünf-Jahres-Lösung war.“

Dass die Kulturbehörde keine zwei Umzüge finanzieren würde, war allerdings von vornherein klar. „Und obwohl sowohl der Investor als auch wir großes Interesse an dieser Lösung hatten, mussten wir zäh verhandeln, um eine Raummiete durchzusetzen, die unsere jetzige nicht übersteigt.“

Doch abgesehen davon, dass dem Investor ein so großer Mieter auch bei Kreditverhandlungen mit Banken vermutlich sehr zupass kommt, muss das Gelände ohnehin entwickelt werden: „Eine Stadt, die sich für Olympia und als Kulturhauptstadt empfiehlt, hätte die Brache rund um den Hühnerposten ohnehin sanieren müssen.“

Ein Konglomerat an Interessen also, an dessen Ende eine positive Lösung für die HÖB stand, die auch ihre Film- und Videobestände, seit 1993 in den Zeisehallen untergebracht, mit an den Hühnerposten nehmen werden. „Da aber der Vertrag mit dem Zeisehallen-Vermieter noch bis 2012 läuft, wollen wir dort eine Trend-Bibliothek für Jugendliche einrichten. Dort soll es gute Unterhaltung geben – eine Mischung aus Büchern, Comics und Musik.“

Wie sie das finanzieren will? „Das ist Teil unseres von Sparzwängen diktierten Gesamtkonzepts: Kleine und mittlere Zweigstellen sollen sich künftig noch stärker auf Familien- und Kinderliteratur konzentrieren. Jugendlichen ab zwölf Jahren glauben wir längere Wege in die angrenzenden Stadtteilbibliotheken zumuten zu können. Ein Teil des so frei werdenden Personals könnte in der Trendbibliothek eingesetzt werden. Außerdem würde ich mittelfristig gern eine eigene Kinderbibliothek einrichten – in einem der innenstadtnahen Häuser am Grindel, in Winterhude oder Eimsbüttel, von wo aus der alternative Weg zum Hühnerposten noch zumutbar ist.“

Übrigens: Spaß macht Hella Schwemer-Martienßen das ewig währende Sparen – die HÖB-Zuwendungen sind seit 1994 eingefroren – nicht. Aber sie glaubt an die Notwendigkeit von Visionen gerade in kargen Zeiten und setzt auf eine Mischung aus Verhandlungen und Pragmatismus. Und ist selbstverständlich hoch erfreut über die Domplatz-Lösung, wo die Zentralbibliothek ab 2008 einen Teil der 26.000 Quadratmeter großen Nutzflächen belegen soll. „Dies ist ein sehr repräsentativer Ort, der die HÖB enorm aufwertet, was schon lange fällig ist.“

Doch bis dahin ist es noch ein Stück Weg. Fürs erste hat Hella Schwemer-Martienßen für die Zeit am Hühnerposten eine Nutzersteigerung um zehn Prozent prognostiziert. Ohne behördenseitige Auflagen und ohne Not. „Einfach, weil ich davon überzeugt bin.“ Und weil es für sie so etwas wie die Verwirklichung eines lange gehegten Traums ist, dem die Realität Recht geben könnte.