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Archiv-Artikel

„Wir sind gesprächsbereit“

Sollte die schwarz-grüne Koalition in Hamburg zerbrechen, wird die SPD Gespräche über eine rot-grün-rote Option anbieten. Fraktionschef Michael Neumann im taz-Interview über Moorburg, das Abenteurertum der GAL und das linke Schreckgespenst

MOORBURG UND DER SCHWARZ-GRÜNE SENAT

Hinter verschlossenen Türen werden die Spitzen von CDU und Grün-Alternativer Liste (GAL) am heutigen Montagabend im Hamburger Rathaus über Moorburg beraten. Es wird damit gerechnet, dass die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk darlegt, warum sie aus rechtlichen Gründen den Bau des Kohlekraftwerks genehmigen muss, aber an die Reduzierung der CO2-Emissionen knüpfen will. Offiziell verkündet wird die Entscheidung am Dienstagnachmittag, am Abend trifft sich die Basis von CDU und GAL zu getrennten Mitgliederversammlungen. Sehr wahrscheinlich beschließt die GAL die Einberufung eines Sonderparteitags am Donnerstag, dem 9. Oktober. Aus formalen Gründen kann nur dieses Gremium über den Ausstieg aus der Koalition entscheiden. Betreiber Vattenfall hat bereits Kompromissbereitschaft signalisiert. Die Kraftwerksleistung könnte so weit gedrosselt werden, dass der Ausstoß von CO2 erkennbar gesenkt werde.  SMV

INTERVIEW SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Herr Neumann, wie hätten Sie es denn gerne: weiter Schwarz-Grün oder alternativ Große Koalition, Rot-Grün-Rot oder Neuwahlen?

Michael Neumann: Wichtig ist gute und richtige Politik für Hamburg. Die Frage der Farbkonstellationen ist zweitrangig.

Das schwarz-grüne Experiment könnte in wenigen Tagen wegen des Kohlekraftwerks Moorburg zerbrechen. Sie klingen so, als würden Sie das nicht erhoffen, sondern fürchten.

Fürchten nicht, aber ich rechne auch nicht damit. Die Funktionäre der Grünen scheinen mir doch recht fest gefangen zu sein in ihrer Anhänglichkeit an die schwarz-grüne Utopie. Die werden sicher alles versuchen, um einen Bruch der Koalition und das Ende ihrer Teilhabe an der Macht zu verhindern.

Die Entscheidung über den Ausstieg aus dem Senat treffen bei der GAL nicht die Spitzenleute, sondern die Mitglieder. Und an der Basis rumort es mächtig wegen Moorburg.

Da haben die Grünen sich ein echtes Problem aufgehalst, in der Tat. Sie haben ihr Wort gegeben, dass Moorburg nicht gebaut wird, wenn die GAL mitregiert. Wie sie aus dem Dilemma rauskommen wollen, weiß ich auch nicht. Entweder verlieren sie ihre politische Glaubwürdigkeit bei den Wählern oder sie stehen als politisch unreif da, weil sie sich beim ersten Konflikt vom Regierungsacker machen.

Würde die SPD solche unsicheren Kantonisten mit offenen Armen empfangen?

Sie meinen in einer rot-rot-grünen Koalition?

Das wäre eine rechnerische Möglichkeit.

Bisher gibt es weder von den Grünen noch von der Linkspartei Anzeichen für Beweglichkeit. Deshalb warten wir das ab. Sollte es tatsächlich zu einem Bruch der CDU-GAL-Regierung kommen, werden wir aber sicher alle drei Parteien zu Gesprächen darüber einladen, wie es weiter gehen soll.

Die GAL-Vorsitzende Katharina Fegebank hat im taz-Interview am Samstag auf die Frage nach dem Fortbestand von Schwarz-Grün geantwortet: „Nächste Frage, bitte“. Klingt nicht sehr optimistisch.

Das habe ich interessiert zur Kenntnis genommen. Offenbar gibt es, obwohl die grüne Begeisterung der ersten Monate anderes nahe legte, doch keine babylonische Gefangenschaft der GAL durch die CDU. Zumindest nicht in allen Köpfen. Das ist gut zu wissen.

Sie und auch der SPD-Landesvorsitzende Ingo Egloff haben jüngst angedeutet, dass die Linkspartei in Hamburg durchaus ein für sie überraschend ernsthafter und pragmatischer Verein zu sein scheint. Wäre eine Zusammenarbeit demnach möglich?

Wenn die jetzige Regierung zerbrechen sollte, werden wir gesprächsbereit sein. Vor der Wahl haben wir aber versprochen, mit der Linken nicht zu koalieren...

Da hieß der Spitzenkandidat aber auch noch Michael Naumann. Der aber ist seit Juni außen vor.

Deshalb werden wir jetzt nicht einfach unser Wort brechen. Ich räume ein, dass die Fraktion der Linken in der Bürgerschaft in diesem halben Jahr, seit sie dort vertreten ist, viel von ihrem Schrecken verloren hat. Die Linke muss jedoch erst mal klären, was sie will. Bislang wollte sie nichts außer Fundamentalopposition. Voraussetzung für sinnvolle Gespräche ist aber die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Und Voraussetzung ist als allererstes, dass die Grünen ihr Abenteuer mit der CDU für gescheitert erklären.

Aber dann wäre die SPD zu Koalitionsverhandlungen bereit?

Dann gäbe es sicher Gespräche mit Grünen und Linken darüber, ob Verhandlungen sinnvoll sind. Alles andere muss man danach sehen.

Und mit der CDU? Eine Große Koalition geht immer.

Die CDU ist sicher die Letzte, mit der wir reden würden. So wie Herr von Beust und seine Partei bei den Koalitionsverhandlungen die Grünen hinters Licht geführt haben, sind die nicht vertrauenswürdig. Das wäre die letzte aller Möglichkeiten.

Die vorletzte wäre demnach ein rot-grün-rotes Experiment unter einem Ersten Bürgermeister Michael Neumann?

Wenn die SPD einen Spitzenkandidaten braucht, wird sie ihn oder sie nominieren.

Fotohinweis:MICHAEL NEUMANN, 38, ist seit 2004 SPD-Fraktionsvorsitzender in der Hamburger Bürgerschaft. Der Berufssoldat und Diplom-Politologe ist mit einer Deutsch-Türkin verheiratet und Vater einer Tochter