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Archiv-Artikel

Dummheit angebracht

Ein Awacs-Einsatz wäre wohl auch ein Kriegseinsatz. Aber Karlsruhe lässt der Regierung außenpolitischen Spielraum

FREIBURG taz ■ An diesen Fall hatte Karlsruhe nicht gedacht: Die Bundesregierung schickt deutsche Soldaten im Rahmen der Awacs-Luftaufklärung in die Türkei und beteuert gleichzeitig, dass die Aktion mit dem geplanten Krieg im Nachbarland Irak nichts zu tun habe. Hier ist also noch einige Interpretationsarbeit nötig.

Konkret hat Karlsruhe 1994 entschieden, dass der Einsatz bewaffneter Streitkräfte (auch von Awacs-Flugzeugen) einer Zustimmung des Bundestages bedarf. Ob der Armeeeinsatz innerhalb oder außerhalb des Bündnisgebietes stattfindet, spielte damals keine Rolle und kann daher auch heute nicht als Argument gegen eine Beteiligung des Bundestages angeführt werden.

Nicht ausreichend ist auch der Hinweis auf Bündnisverpflichtungen. Gerade im Bündnisfall – wenn also ein angegriffener Nato-Partner um militärischen Beistand bittet – hält das Bundesverfassungsgericht eine Beteiligung des Bundestages für erforderlich. Konkret heißt es im Urteil: „Auch in diesem Fall bedarf es jedoch noch der – regelmäßig vorhergehenden – parlamentarischen Entscheidung über den konkreten Einsatz.“

Entscheidend ist nun, wie man den geplanten Awacs-Einsatz in der Türkei qualifiziert. Wenn hier Luftaufklärung über dem Nordirak betrieben wird, um den USA militärisch zu helfen, dann wäre dies sicher ein zustimmungspflichtiger Einsatz. Auch die Absicherung der Türkei gegen Luftangriffe des Iraks kann man wohl kaum ohne Bezug zu einem Irakkrieg der USA sehen. Immerhin ist die Türkei nicht nur gefährdet, weil sie zufällig in der Nachbarschaft liegt, sondern weil sie den USA in noch nicht endgültig geklärter Weise logistische Hilfe leistet.

Die Bundesregierung stellt die Luftaufklärung über der Türkei jedoch als reine Routineaktion im Rahmen der Nato dar. Wenn dem so wäre, könnte man wohl auf eine Genehmigung des Bundestages verzichten. Es fragt sich nur: Wie dumm darf sich die Bundesregierung stellen, wenn ein Bezug zum Irakkrieg so offensichtlich ist? Vermutlich sehr dumm. Denn Karlsruhe billigt der Bundesregierung in außenpolitischen Fragen meist einen „weiten Beurteilungsspielraum“ zu.

Zwingend erforderlich wäre eine Bundestagsbefassung jedoch, wenn die in Kuwait stationierten Fuchs-Spürpanzer im Irak eingesetzt würden. Hier hat das Parlament bisher nur die allgemeine Verwendung im Rahmen des Antiterrorkampfes gebilligt. Ausgenommen wurden ausdrücklich Einsätze gegen den Willen einer betroffenen Regierung, etwa der des Irak.

CHRISTIAN RATH