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: Terminfragen hin, Gefechtsköpfe her – ein Krieg gegen den Irak wäre falsch

Gelegentlich kann die politische Erörterung bestimmter Detailfragen zwar unvermeidlich sein, aber dennoch eine große Gefahr in sich bergen: dass nämlich das zentrale Problem aus dem Blickfeld gerät und eine Beschäftigung mit den grundsätzlichen Aspekten eines Themas irgendwann realitätsfern und veraltet erscheint. Diese Entwicklung droht gegenwärtig im Zusammenhang mit einem möglichen Krieg gegen den Irak.

 Die Terminfrage ist keineswegs unwichtig. Wenn die UN-Inspektoren unter Zeitdruck gesetzt werden, dann schmälert das die Glaubwürdigkeit ihres Berichts – vor allem, wenn sie keine Hinweise auf irakische Massenvernichtungswaffen finden. Das mag im Interesse der Befürworter eines Angriffs auf Bagdad liegen. Umgekehrt leidet allerdings deren Überzeugungskraft, wenn sie weiterhin die Beweise für ihre Vorwürfe schuldig bleiben.

 Von wesentlicher Bedeutung ist auch die Frage, ob die jetzt im Irak entdeckten Gefechtsköpfe als Hinweise auf ein verborgenes Waffenprogramm gewertet werden müssen oder nicht. All diese Aspekte berühren jedoch nicht den Kern des Problems: die Frage, ob ein Krieg ein legitimes und geeignetes Mittel im Kampf gegen das menschenverachtende Regime in Bagdad ist.

 Es ist unbestreitbar, dass es sich bei Saddam Hussein um einen Diktator der besonders üblen Sorte handelt. Darüber hinaus ist es zwar unbewiesen, aber keineswegs unvorstellbar, dass er nach wie vor über Massenvernichtungswaffen verfügt. Sollte der Beweis dafür erbracht werden können – müssten Bombenangriffe dann nicht die zwangsläufige Folge dieser Erkenntnis sein? Der Verlauf der Diskussion in den letzten Wochen legt diese Schlussfolgerung nahe. Falsch ist sie dennoch.

 Keines der ursprünglichen Argumente gegen einen Krieg wurde widerlegt. Angriffskriege widersprechen geltendem Völkerrecht. Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass angeblich legitimierende UN-Resolutionen stets bewusst vage gehalten werden.

 Die Gefahr einer Destabilisierung der gesamten Region besteht weiterhin, ebenso wie die Sorge, dass andere Diktaturen sich möglichst schnell in den Besitz von Massenvernichtungswaffen bringen werden, um unangreifbar zu werden. Die Völkergemeinschaft hat keine guten Erfahrungen mit dem Versuch gemacht, Krieg als zwangsläufige Folge einer Entwicklung zu definieren. Es gilt, alternative Formen der Gegenwehr zu entwickeln. Der erste Schritt dafür wäre eine Rückkehr zur Grundsatzdiskussion. Die Kirchen mühen sich darum übrigens redlich. BETTINA GAUS