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Archiv-Artikel

Eine Hochzeit und zwei Todesfälle

Der Zusammenschluss von ORB und SFB zum Rundfunk Berlin-Brandenburg geht in die entscheidende Phase

POTSDAM taz ■ Nach jahrelangem Stillstand ist in die Medienpolitik der Haupstadt-Region endlich Bewegung gekommen. Spätestens bis zum 1. Juni soll der neu gegründete Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) voll funktionsfähig sein. Heute beginnt offiziell die Intendantensuche.

Entsprechend an Fahrt zugenommen hat nicht nur das Kandidaten-Karussell, das inoffiziell von WDR-Fernsehchef Ulrich Deppendorf angeführt wird (siehe taz vom 13. 1.). Auch die Politik in Berlin und Brandenburg hat den RBB gewissermaßen schon vor seiner Gründung zum Erfolg verdammt, gilt doch der Senderzusammenschluss als „Lackmus-Test“ für einen Neuanlauf in Sachen Länderehe.

Für Branchenkenner kommt diese rasante Entwicklung zur Fusion von Sender Freies Berlin (SFB) und Ostdeutschem Rundfunk Brandenburg (ORB) zuletzt alles andere als überraschend. Denn längst kooperieren die beiden ARD-Anstalten bei fünf ihrer insgesamt acht Hörfunkwellen und haben auch ihre Honorarabteilungen zusammengelegt. Auch mit Blick auf die angespannte Kassenlage beider Sender und das gewachsene Gewicht der Hauptstadt-Region schien die Hochzeit längst überfällig.

Doch es bedurfte erst des Skandals um die Landesbank Berlin (LBB) vor anderthalb Jahren, der die große Koalition an der Spree beendete und damit auch das Karriereende von Klaus-Rüdiger Landowsky einleitete. Denn der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende war nicht nur Strippenzieher hinter Regierungschef Eberhard Diepgen, sondern zugleich graue Eminenz im SFB-Rundfunkrat. Er sorgte dafür, dass der Sender mit Barbara Groth eine in der Sache glücklose, aber CDU-nahe Fernsehdirektorin bekam. Und Landowsky war auch Garant dafür, dass eine oft diskutierte Fusion von SFB und dem „Rotfunk“ ORB nie Realität wurde.

Grüne ausgetrickst

Ohne Landowsky war plötzlich der Weg frei. Und das zügig von der großen Koalition in Brandenburg und dem rot-roten Berliner Senat auf den Weg gebrachte Fusionsvertragswerk kann sich sehen lassen – wäre da nicht die vordemokratische Repräsentanz der Parteien im RBB-Rundfunkrat. Die sieben Parteiverteter (bei insgesamt 30 Ratsmitgliedern) stellen ausschließlich die Regierungsparteien SPD, CDU und PDS – FDP und Grüne blieben außen vor. Die Sozialisten argumentierten nicht allzu lautstark dagegen, die Grünen protestierten erst, als es zu spät war.

Sorgenkind Fernsehen

Während beim Hörfunk zahlreiche Programm-Kooperationen den künftigen Zusammenschluss schon vorweggenommen haben, bleibt das künftige gemeinsame dritte TV-Programm Sorgenkind der Fusionäre: Im Sinne der Integration des Sendegebietes wäre ein einheitliches RBB-Programm wünschenswert. Diskutiert werden aber auch „Fensterlösungen“ die dem Publikum in Brandenburg und Berlin jeweils für rund drei Stunden täglich Separatfernsehen anbieten.

Generell sind die Erwartungen an die voraussichtlich im Frühjahr zu wählende Geschäftsleitung hoch: Die Gebührenzahler hoffen auf ein qualitativ besseres Programm, das mit weniger Übernahmen und Wiederholungen auskommt. Hausintern geht es um die möglichst geräuschlose Zusammenführung von zwei ziemlich unterschiedlichen Unternehmenskulturen – den bei allen Halbreformen noch immer dem alten Westberliner Idyll hinterhertrauernden SFB trennt mehr als die Autobahn Berlin–Potsdam vom auch nicht mehr ganz so schlanken, selbstbewussten „Flächenlandsender“ ORB.

Dazu muss der RBB die sehr verschiedenen Milieus in Berlin und Brandenburg integrieren. Doch insbesondere die Berliner SPD werkelt schon intensiv an einem Personaltableau für die Führungsposten, das zu vergessen scheint, dass die neue Anstalt in ihrer Konstitution eine ostdeutsche Angelegenheit ist.

Heute nun soll der RBB-Rundfunkrat eine Findungskommission bestimmen, die sich auf die Suche nach der künftigen Intendanz macht. Die Zeit wäre reif, statt auf männliche Westimporte zu setzen, endlich auch neue Wege bei der Auswahl des Führungspersonals zu beschreiten.

RAINER BRAUN