: Jetzt geht es um strategisch wichtige Güter
Venezuelas Machtkampf eskaliert dramatisch: Präsident lässt Coca-Cola-Fabrik und Bierbrauerei besetzen
BUENOS AIRES taz ■ Die Marke ist das Symbol für US-Expansionspolitik schlechthin: Coca-Cola. Was könnte es also reizvolleres geben für den geborenen Provokateur Hugo Chávez, als ausgerechnet eine Fabrik des Braunbrauseherstellers von der Nationalgarde besetzen zu lassen? Um die Lebensmittelversorgung der venezolanischen Bevölkerung trotz des seit 2. Dezember andauernden Generalstreiks zu sichern, ließ Chávez von den Sicherheitskräften eine Coca-Cola-Fabrik und eine Brauerei durchsuchen und besetzen. Zwar sind weder Coca-Cola noch venezolanisches Polar-Bier zwingend lebensnotwendig. Aber den beiden Firmen wird vorgeworfen, aus Sympathie für die Streikenden bewusst ihre Produkte zu verknappen.
Vielleicht hätte Chávez mit dieser Aktion wenig Aufsehen erregt, wenn er nicht ausgerechnet seine Soldaten bei Coca-Cola hätte einsteigen lassen. Und vielleicht wären die Reaktionen etwas ruhiger ausgefallen, wenn der Kommandant der Nationalgarde nach dem Sturm auf die Coca-Cola-Abfüllanlage nicht vor laufenden Fernsehkameras ein soeben beschlagnahmtes Malzbier getrunken hätte. Und vielleicht hätte alles nicht so sehr nach persönlicher Rache ausgesehen, wenn im Vorstand des lokalen Coca-Cola-Abfüllers nicht einer seiner erbittertsten Gegner säße; und wenn Chávez der Besitzerfamilie der Polar-Brauerei nicht schon lange vorwerfen würde, hinter dem Boykott gegen ihn zu stehen.
Aber das sanfte Auftreten ist eben Chávez’ Sache nicht. In den Büros der Brauerei lieferten sich Prokuristen und Betriebswirte Faustkämpfe mit den Gendarmen. Und vor den Toren von Coca-Cola versuchten es Chávez-Gegner mit den Sicherheitskräften aufzunehmen, um die Besetzung der Fabrik zu verhindern.
So hat Chávez es den Yankees mal wieder so richtig gezeigt. An der Teilnahme der USA an der von Brasiliens neuem Präsidenten initiierten „Gruppe der befreundeten Länder Venezuelas“, der außer den USA Brasilien, Mexiko, Chile, Spanien und Portugal engehören, hat Chávez jetzt nichts auszusetzen. Vorausgesetzt: „Die Regierung in Washington versteht in aller Deutlichkeit, dass es in Venezuela eine Regierung gibt, die ich anführe.“ INGO MALCHER