: Powerplay gegen den Irak
Die USA gegen Saddam Hussein: Spekulation über Exil, diplomatischer Druck und angeblich sogar Jagd auf ihn
von BERND PICKERT
Eine Woche bevor Hans Blix, der Chef der UN-Waffeninspektoren für den Irak, dem Weltsicherheitsrat Bericht erstatten muss, diskutiert die US-Regierung die Möglichkeit, den irakischen Staatschef Saddam Hussein ins Exil zu entlassen. „Um einen Krieg zu verhindern, würde ich persönlich empfehlen, Vorkehrungen zu treffen, um der obersten Führung des Landes Zuflucht in einem anderen Land zu gewähren“, sagte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Fernsehsender ABC. Dem stimmte der britische Außenminister Jack Straw zu. Er sagte zwar, die Frage sei eine „sensible Angelegenheit“. Wenn es jedoch helfen würde, einen Krieg zu vermeiden, wäre auch er bereit, dem irakischen Diktator sogar Immunität zuzusichern. Auch Außenminister Colin Powell meinte, damit wären die Anforderungen der USA an einen Regimewechsel im Irak erfüllt. Es gebe dann eine „völlig neue Situation“, aufgrund deren „wir den Krieg vermeiden“ könnten. Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice mag daran allerdings nicht so recht glauben: „Ich denke, dass es unwahrscheinlich ist, dass dieser Mann irgendwie anders stürzt als durch Zwang.“ Und ein Sondergesandter Sddam Husseins wies Gedankenspiele über ein Exil seines Präsidenten rüde als Unsinn und Taktik der psychologischen Kriegführung zurück: „Wer hat den Idioten Bush zum Weltpolizisten ernannt?“, sagte Ali Hassan al-Madscheed in Beirut.
Der Druck wird stärker, und das spüren vor allem die Waffeninspektoren, die in den vergangenen Tagen in Bagdad der irakischen Regierung weitere Zugeständnisse und mehr Offenheit abzutrotzen versuchten. Die USA versuchen den Zeitplan eng zu halten. Militärexperten weisen darauf hin, dass der US-amerikanische Aufmarsch am Golf immer noch wie an der Schnur gezogen einem möglichen Angriffsdatum 15. Februar folge. Und obwohl die Chancen, bis dahin eine entsprechende Autorisierung des Sicherheitsrats zu bekommen, bislang gegen null zu tendieren scheinen, hält Washington an diesem Fahrplan fest – militärisch und politisch.
Am 27. Januar muss Blix seinen Bericht abgeben, am 28. Januar hält US-Präsident George W. Bush in Washington seine Rede zur Lage der Nation vor beiden Häusern des Kongresses – jene Ansprache, bei der er vor einem Jahr den Begriff von der „Achse des Bösen“ prägte. Am 29. Januar soll sich erneut der Sicherheitsrat mit dem Thema befassen. Das gibt dem US-Präsidenten die Chance zum Powerplay gegen den Irak. „An irgendeinem Punkt müssen wir uns ehrlich fragen, ob der Irak nun kooperiert oder nicht. Das wird die entscheidende Frage sein, wenn wir am 27. Januar den Blix-Report haben“, zitiert die New York Times einen hohen US-Regierungsbeamten. Die US-Regierung werde trotz der Wünsche der Inspektoren nach mehr Zeit auf eine schnelle Entscheidung im Sicherheitsrat drängen.
Der deutschen Bundesregierung bringt das die Gewissheit, dass der Februar, in dem Deutschland den Vorsitz im Weltsicherheitsrat innehat, ein spannender Monat wird. Außenminister Joschka Fischer sprach sich gestern bei seinem ersten Auftritt im Sicherheitsrat laut vorab verbreitetem Redetext noch einmal gegen einen Irakkrieg aus: „Wir fürchten neben fatalen Konsequenzen für die langfristige Stabilität auch mögliche negative Folgen für den gemeinsamen Kampf gegen diesen mörderischen Terrorismus“, sagte er in New York.
Derweil verfolgen die US-Militärs nach einem Bericht der Zeitung USA Today auch die Option, Saddam Hussein umzubringen. US-Spezialeinheiten beobachteten jede Bewegung Saddam Husseins, und eine umgebaute Boeing 707 kreise täglich zehn Stunden über dem Irak, von der aus alle Telefongespräche Husseins und seiner Topoffiziere abgehört und lokalisiert werden könnten. Außerdem seien seit September vergangenen Jahres rund 100 Angehörige von US-Spezialeinheiten und mehr als 60 CIA-Mitarbeiter auf irakischem Boden gewesen, um Truppenbewegungen zu verfolgen und den Boden für die US-amerikanischen Truppen zu bereiten. Laut einer Direktive von Bush an die CIA sind die US-Einheiten autorisiert, Saddam Hussein zu töten, wenn sie sich in Lebensgefahr wähnen.