: Geschickter Demagoge
betr.: „Wann ist ein Krieg gerecht?“ (Amerikanische Außenpolitik seit dem 11. 9. ist klug und besonnen), Jeff Gedmin antwortet Norman Birnbaum, taz vom 18. 1. 03
Der Direktor des Aspen Institute ist offensichtlich ein geschickter Demagoge, und so versucht er, seinen Meister reinzuwaschen, indem er die ganze Bush-Irak-Problematik völlig verwirrt. Ich glaube nicht, dass von denen, die gegen die Irak-Kriegspläne der US-Regierung protestieren, „irgendwelche Zweifel nur Saddam Hussein zugute halten“ – wahrscheinlich seit den Giftgasangriffen auf kurdisch besiedelte irakische Städte 1988 bezweifelt niemand, dass dieser Mann ein Verbrecher ist. Im ersten Krieg der USA/ UNO gegen Irak 1991 spielten diese Angriffe allerdings als Argument keine Rolle, da ging es nur um Kuwait. Man gewinnt den Eindruck, dass die Giftgasangriffe jetzt, 15 Jahre später, ein ziemlich wohlfeiles und unehrliches Argument sind.
Da ein Zusammenhang zwischen Irak und al-Qaida nicht besteht und der Abbruch der UN-Inspektionen im Irak auch schon ein paar Jahre zurückliegt, versteht, glaube ich, auch niemand, warum gerade jetzt unbedingt ein Krieg gegen Saddam Hussein vom Zaum gebrochen werden muss.
Verbrecher in hohen politischen Funktionen gibt es außer Saddam Hussein noch viele. Manche stehen auf der Schurkenstaatenliste der Bush-Regierung, mit anderen versteht diese Regierung sich prächtig. Die Tirade von Herrn Gedmin gegen die chinesische Führung zum Beispiel ist natürlich völlig begründet – nur dass er uns einreden will, die Anti-Irak-Krieg-Bewegung sympathisiere mit dieser Führung, ist eine reine Propagandalüge. In Wirklichkeit versucht doch die Bush-Regierung, diese Führung in dem Konflikt mit Nordkorea als Verbündete zu gewinnen – ohne Rücksicht darauf, wer alles totgeschlagen und massakriert wurde.
Tatsächlich lehrt uns doch die Erfahrung der gesamten Nachkriegszeit, dass alle US-Regierungen […] jedes kriminelle und menschenverachtende Regime unterstützt hat, das den Interessen der USA nützte – zuerst im Kampf gegen den Kommunismus, und jetzt im Kampf um was auch immer (Öl? Vorherrschaft?). […] Auch Bin Ladens Organisation ist doch anscheinend initial von den USA unterstützt und großgemacht worden; der 11. 9. 2001 war meines Wissens das erste Mal, dass eine der von den USA weltweit unterstützten faschistischen oder unter anderer Ideologie menschenverachtenden Extremistengruppen sich wie die sprichwörtliche Natter am eigenen Busen verhalten hat. Das hat allerdings die Bush-Regierung nicht davon abgehalten, in Afghanistan ähnlich brutale und unmenschliche Gruppierungen (die so genannten „Warlords“) zu neuen Verbündeten zu machen. Es wäre halt auch für die US-Regierung sehr viel aufwändiger, sich für eine gerechte Weltordnung einzusetzen als einen Verbrecher durch einen anderen, eventuell leichter steuerbaren zu ersetzen. Andererseits würde die Welt vielleicht eher einem Staat folgen, dem man die Rolle eines ehrlichen Maklers abnehmen könnte und bei dem man nicht den Eindruck haben müsste, die eigenen Motive seien alles andere als sauber. HERBERT OTTEN, Köln
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