: Gensamen sind nicht zu bändigen
Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen wächst weltweit rasant und droht auch in der EU. Neue Studie erforscht mögliche Sicherheitsmaßnahmen der künftigen Anrainer von Genbauern. Fazit: Es gibt kaum praktikable Lösungen. Haftung ungeklärt
von HANNA GERSMANN
Kommt die grüne Gentechnik, ist der Ökolandbau ruiniert. Bezeichnungen wie „Gentech-frei“ wären passé, denn die manipulierten Pollen und Samen sind kaum zu stoppen, sagen Wissenschaftler des Öko-Instituts Freiburg in einer neuen Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes. Eine dringende Forderung der Studienmacher: Wer die Haftung für eventuelle Kontaminationsschäden nicht regelt, darf auch nicht zulassen, dass Bauern tonnenweise Mais, Raps oder Weizen mit verändertem Erbgut anbauen.
Vor allem in den USA, in Argentinien und in Kanada nimmt die Zahl der Pflanzen mit Extra-Genen zu, die sie beispielsweise für Insekten ungenießbar machen: Allein im vergangenen Jahr stieg die Anbaufläche weltweit um 12 Prozent auf 58,7 Millionen Hektar, gab der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter am Montag bekannt. Eine Fläche, 1,5-mal so groß wie Deutschland. Europa allerdings macht den Trend bisher nicht mit.
„Noch in diesem Jahr könnte sich das ändern, dass Genpflanzen nicht mehr – wie bisher von den EU-Ministern vorgesehen – nur im Dienste der Wissenschaft angebaut werden“, sagt Beatrix Tappeser vom Öko-Institut. Die USA drohen den Europäern mit einem Handelsstreit, weil sie dadurch den Import ihrer Genprodukte wie etwa Sojabohnen in die EU verhindert sehen. Die Kommission drängt deshalb auf ein Ende des bisher gültigen Moratoriums für den gewerblichen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Pech für die vier von fünf Verbrauchern, die Gentechnik ablehnen: Was auf ihren Teller kommt, können sie dann nicht mehr entscheiden.
„Handelt der Gesetzgeber nicht im Vorfeld, droht der Krieg in den Dörfern“, sagt der Freiburger Rechtsanwalt und Mitautor der Öko-Instituts-Studie, Hanspeter Schmidt. Jeder Biobauer werde den Landwirt von nebenan auf Schadenersatz verklagen. Jedes Jahr aufs Neue. Denn: Sind Supermais und Megatomaten erst einmal auf dem Acker, würden ihre Samen und Pollen von Wind, Insekten oder Vögeln fortgetragen, verunreinigten auch anderes Obst, Getreide, Gemüse. „Gentechnik – nein danke“ könne der Bauer seinem Kunden dann nicht mehr garantieren.
Wie der permanente Nachbarschaftsstreit zu verhindern ist, haben Schmidt und Tappeser gemeinsam mit Wissenschaftlern vom Forschungsinstitut für ökologischen Landbau untersucht. Ihr Fazit: Keine Chance für Raps, auf den müssten Biobauern ganz verzichten. „Insekten tragen die Pollen zu weit fort“, erklärt Tappeser. Anders etwa beim Mais. Dessen Pollen werden vom Wind verweht, machen sich nicht so weit vom Acker. Sicherheitsabstände und Genflächenkataster, per Gesetz vorgeschrieben und von unabhängiger Stelle überwacht, könnten die Ökobauern schützen. Das wäre jedoch teuer und aufwändig, Verunreinigung dennoch nicht ausgeschlossen. Haften solle die Industrie, so Schmidt, die Gen-Saat auf den Markt bringt.
Studie: www.oeko.de/indexb.html