Moorburg wird begrünt

Vattenfall darf das Kohlekraftwerk bauen. Die grüne Umweltsenatorin Hajduk erteilt die Genehmigung. Strikte Auflagen sollen zur Leistungseinschränkung an 250 Tagen im Jahr führen und das Gas- und Fernwärmenetz soll wieder städtisch werden

In Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind elf Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von rund 10.000 Megawatt (MW) geplant. Ein wesentlicher Grund dafür, die Küste zum Kohlekraftrevier zu machen, sind die Häfen: Verbrannt wird fast ausschließlich importierte Kohle, die mit Schiffen angeliefert wird. Drei Steinkohlemeiler mit einer Gesamtkapazität von 3.200 MW sollen in Brunsbüttel das Nordufer der Elbe zieren. Das Gleiche droht dem niedersächsischen Stade. Auch dort wollen Energiekonzerne drei Kohlekraftwerke errichten. Zwei kleinere Projekte sind in Wilhelmshaven vorgesehen sowie drei weitere in Kiel, Emden und dem emsländischen Dörpen. Das mit Abstand größte deutsche Steinkohlekraftwerk soll Hamburg-Moorburg werden. Bei voller Leistung würde es mit 1.654 MW sogar das größte norddeutsche Atomkraftwerk Krümmel (1.440 MW) übertreffen. Zudem soll es etwa 650 MW Fernwärme für mehrere Tausend Haushalte im Hamburger Süden und Umland liefern.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Das Kohlekraftwerk Moorburg darf gebaut werden. Das gaben Hamburgs Umweltsenatorin Anja Hajduk und ihr Staatsrat Christian Maaß (beide Grün-Alternative Liste, GAL) am Montagnachmittag im Hamburger Rathaus bekannt. Damit müssen die Grünen, die das Kraftwerk im Bürgerschaftswahlkampf als „Klimakiller“ vehement bekämpft hatten, eine herbe politische Niederlage einstecken.

Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag vom April hatten CDU und GAL vereinbart, dass die grün geführte Umweltbehörde über den Genehmigungsantrag des Betreibers Vattenfall nach Recht und Gesetz entscheiden werde. Und die juristische Prüfung habe nun ergeben, so Hajduk, „dass der Bau des Kraftwerks aus rechtlichen Gründen nicht zu versagen ist“. Diese Entscheidung „macht mich nicht glücklich, ist aber in der Sache angemessen“, sagte Hajduk. Beschönigen wollte auch die grüne Spitze nichts. „Das ist eine krachende Niederlage“, kommentierte GAL-Parteichefin Katharina Fegebank, der Fraktionsvorsitzende Jens Kerstan sprach von „einer bitteren Niederlage für uns als Klimaschutzpartei“.

Die grundsätzliche Genehmigung für das Kraftwerk wurde allerdings mit strikten wasserrechtlichen Auflagen versehen. Diese würden dazu führen, dass Vattenfall den Meiler „im Durchschnitt an 250 Tagen im Jahr mit gedrosselter Leistung betreiben“ müsse, erläuterte Maaß. Dazu wird die Wassermenge, die Betreiber Vattenfall zur Kühlung des Kraftwerkes aus der Elbe entnehmen darf, von den beantragten 64 Kubikmetern pro Sekunde „in einem dynamischen Modell“ reduziert. Zudem wird die Höchsttemperatur, die das gebrauchte Kühlwasser bei der Wiedereinleitung in den Fluss aufweisen darf, verringert.

Zudem kündigte Hajduk die Gründung eines stadteigenen Energieversorgers an, der künftig die Gas- und Fernwärmenetze betreiben soll. Die Rekommunalisierung der öffentlichen Versorgung ist eine alte grüne Forderung, die nun realisiert werden soll. Das städtische Unternehmen Hamburg Wasser werde beauftragt, ein Konzept für umweltfreundliche Energie zu entwickeln, wozu auch „atom- und kohlefreier Strom“ gehöre.

Damit wurde die monatelange Geheimniskrämerei beendet, zu der die Koalition sich verpflichtet hatte. Unmittelbar vor der Pressekonferenz am gestrigen Nachmittag hatten Hajduk und Maaß auf einer Sondersitzung die zwölfköpfige grüne Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft in Kenntnis gesetzt. Zeitgleich wurde auch Betreiber Vattenfall informiert. Per Boten ließ der Konzern den Bescheid nebst Anlagen bei der Umweltbehörde abholen. Mit einer ausführlichen Stellungnahme will sich Vattenfall Zeit lassen. Die Entscheidung der Behörde werde „sehr sorgfältig geprüft werden“, teilte eine Sprecherin mit.

Direkt nach der Pressekonferenz machten Hajduk und Maaß sich auf den Weg zur Basis. Auf einem Informationsabend nur für Parteimitglieder in der Akademie der Künste am Hauptbahnhof mussten sie am Abend mehrere Stunden lang die Entscheidung rechtfertigen. Ebenso Rechenschaft ablegen mussten weitere prominente Grüne, allen voran die Zweite Bürgermeisterin und Spitzenkandidatin im Wahlkampf Christa Goetsch sowie Ex-Parteivize und jetzt Fraktionschef Jens Kerstan. Mehrere GAL-Mitglieder hatten bereits angekündigt, bei einer Genehmigung des Kraftwerks die grüne Regierungsbeteiligung in Frage stellen zu wollen.

Über entsprechende Anträge muss die Basis auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung entscheiden. Diese wurde bereits für den kommenden Donnerstag terminiert.

Aus Protest gegen diese Entscheidung wurde neben dem Rathaus symbolisch eine Weltkugel verbrannt. Damit demonstrierte der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) seinen Widerstand gegen den „Klimakiller Kohlekraft“, so der Hamburger BUND-Chef Manfred Braasch. Er kündigte an, „alle rechtlichen Schritte zu prüfen“, um den Kraftwerksbau zu verhindern.

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