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Afrikanische Passagen

Die lange Reise in den Norden: Der deutsche Regisseur Fritz Baumann erzählt in „Anansi“ von drei jungen Afrikanern, die sich auf den Weg nach Europa machen. Neben Ghana ist der Film auch in Marokko und Südspanien gedreht, den zentralen Durchgangsstationen heutiger Wanderbewegungen

Freundlich und folkloristisch ist Baumanns Bild vom afrikanischen Alltag

von DANIEL BAX

Alljährlich machen sich tausende von Armutsflüchtlingen auf den Weg, um von Afrika aus nach Europa zu gelangen. Die Straße von Gibraltar stellt dabei die kürzeste Verbindung zwischen den Kontinenten dar. Allein im Jahr 2000 sollen über 15.000 Menschen versucht haben, auf diese Weise illegal nach Spanien zu gelangen. Und schätzungsweise 5.000 Flüchtlinge sind in den vergangenen fünf Jahren bei diesem Versuch ertrunken.

Mit seinem Film „Anansi“ gibt der deutsche Regisseur Fritz Baumann dem Massenphänomen ein Gesicht und eine exemplarische Geschichte. Es ist die Geschichte von drei jungen Leuten aus Ghana, die sich eines Tages aufmachen, im Norden ein besseres Leben zu suchen. Das ist der Fotograf Kojo, der ein kleines Atelier betreibt, in dem er seine Kunden vor handgemalten Kulissen fotografiert, welche die bunten Seiten westlicher Konsumkultur zeigen: die Landetreppe eines Flugzeugs, ein europäisches Badezimmer oder eine moderne Küche mit gefülltem Kühlschrank. Seine Freundin Carla betreibt nebenan einen kleinen Kiosk, und der Kurierfahrer Zaza, den die Erinnerungen an erlebte Gewalt in seinem Heimatland Togo plagen, wohnt im Hinterzimmer des Ladens. Sie alle lassen sich von dem windigen Sir Francis, der mit einem dicken Mercedes aus Deutschland in seinen Heimatort zurückgekehrt ist, zur Auswanderung bewegen. Francis verspricht, ihnen die Ausreise zu ermöglichen, besorgt ihnen gefälschte Papiere und schmuggelt die Freunde auf ein russisches Schiff. Dummerweise verpasst er selbst den richtigen Zeitpunkt, das Schiff zu verlassen. So muss er seine Klienten auf ihrer Reise begleiten.

Freundlich folkloristisch ist das Bild, das Baumann vom afrikanischen Alltag zeichnet, und so richtig zwingend erscheint die Flucht seiner Protagonisten daher nicht. Dennoch wird sie bald zum tödlichen Ernst, als ein mitreisender blinder Passagier seinen Verletzungen erliegt, die ganze Gruppe entdeckt und von der Besatzung auf einem Floß ausgesetzt wird. In Mauretanien gestrandet, gelangen die übrig gebliebenen vier zu Fuß bis an die marokkanischen Küste, wo Schleuser ihnen die Überfahrt vermitteln. Etwas plakativ, fast wie ein Lehrfilm, zeichnet „Anansi“ die Etappen eines Exodus nach, der die drei Hauptfiguren am Ende bis nach Berlin führt. Das pädagogische Anliegen, diese Flucht anschaulich zu machen, reduziert die Geschichte zuweilen allerdings auf ihr Grundgerüst: So sind die Guten schlicht gut, die Bösen schlicht fies, und die Beziehungen zwischen den Figuren kommen über das allgemein Gutmenschelnde kaum hinaus.

Zu den Stärken gehört zweifellos, dass sich die Filmcrew an die authentischen Drehorte begeben hat. In Ghana, Marokko und Südspanien gedreht, zeigt „Anansie“ zentrale Durchgangsstationen heutiger Wanderbewegungen: etwa die riesigen Felder und Gewächshauskolonien, auf denen sich zahlreiche illegale Arbeiter aus Afrika und dem Maghreb für ein Handgeld verdingen. Es ist symptomatisch, dass diese Realität, die sich im Verborgenen abspielt, bislang so wenig in fiktiven Stoffen ihren Niederschlag gefunden hat. Und man kann vermuten, dass viele dieser Lebenswege um einiges surrealer sind, als sie jede noch so fantastische Adaption schildern könnte.

Den Regisseur Baumann bewegt das Thema der globalen Migrationströme, seit er in den Siebzigerjahren als Entwicklungshelfer auf Jamaika arbeitete.

Schon in seinem Dokumentarfilm „Die Reise des Löwen“ etwa folgte er den Spuren eines jamaikanischen Rastafaris nach Westafrika. Für „Anansie“ konnte er nun nicht nur eine wirklich internationale Darstellerriege gewinnen – etwa George Quaye, der in Ghana ein veritabler Soapstar ist. Auch für die Filmmusik kamen Baumann seine vielfältigen Kontakte zugute: So konnte er neben dem Münchner Oud-Spieler Roman Bunka für ein Stück auch den US-Reggaestar Shaggy gewinnen, den Baumann noch aus seiner Zeit in Jamaika kennt.

„Anansie“. Regie: Fritz Baumann. Mit George Quaye, Maynard Eziashi, Naomi Harris. Deutschland 2001, 81 Min.

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