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Archiv-Artikel

Kein Nachfolger für den Neoliberalen

Horst Siebert, Chef des Instituts für Weltwirtschaft und Berater mit Vergangenheit, will eventuell in Rente

Er ist Deutschlands prominentester Fürsprecher für mehr Wettbewerb und weniger Sozialstaat. Jetzt macht er Schluss: Der Präsident des renommierten Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Professor Horst Siebert, tritt im März ab. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass sich für den Job, den er vierzehn Jahre gemacht hat, keiner findet. Sein Wunschkandidat Martin Hellwig, wie er Ökonom aus Mannheim, hat den Kielern eine Absage erteilt: Das IfW sei zu schlecht ausgestattet.

Der Kollege bricht ausgerechnet mit dem, was Siebert deutschlandweit zur Norm erheben wollte: dem flexiblen Arbeitnehmer. So wettert er in seinem jüngsten Buch „Der Kobra-Effekt“, die Deutschen verharrten lieber im Vertrauten, ihnen fehle der Drang nach etwas Neuem, Innovativem. Da schreibt ein erfahrener Wirtschaftsweiser: Seit 1985 vertritt er die Arbeitgeber im Sachverständigenrat der Bundesregierung.

Heute erinnert sich kaum noch einer seiner Kollegen daran, dass Siebert in den Siebzigern für den Umweltschutz und gegen die Luftverschmutzung antrat. Als der gebürtige Rheinländer im sagenhaft jungen Alter von 31 Jahren seine erste Professur für Außenwirtschaft in Mannheim annimmt, ist es ziemlich dunstig in der Stadt nahe dem Chemiekonzern BASF. Drei Jahre später publiziert er dann sein erstes Umweltbuch, „Das produzierte Chaos“. Andere folgen: „Economics of the Environment“ von 1985 ist zum Standardwerk geworden.

Doch nicht als Hüter der Umwelt, sondern als strenger Liberaler hat sich Siebert später am Institut für Weltwirtschaft mit seinen 170 Mitarbeitern und einem jährlichen Etat von 8,2 Millionen Euro einen Namen gemacht. Mal ärgert er Finanzminister Hans Eichel, weil er die Wachstumsprognosen der Bundesregierung drastisch nach unten korrigiert, mal Heidemarie Wieczoreck-Zeul, weil er ihre Entwicklungspolitik angreift.

Meist wird er gehört. Denn der Kieler Forscher bekommt vom Wissenschaftsrat bessere Noten als seine Kollegen von den vier anderen vergleichbaren Forschungsinstituten in Deutschland. 1998 konstatiert das Gremium dem IfW herausragende Kompetenz bei der Analyse außenwirtschaftlicher Phänomene. Sehr positiv alle wissenschaftlichen Ergebnisse.

„Vor niemandem braucht er sich zu verstecken, auch weltweit nicht“, sagen Kenner. Nur seine Studenten am Lehrstuhl für theoretische Volkswirtschaft an der Kieler Christian-Albrechts-Universität bekommen ihn eher selten zu sehen, heißt es. Dabei hätte er, bekennender Ordnungstheoretiker, ihnen einiges zu erzählen. Schließlich hörte er noch Alfred Müller-Armack, den geistigen Vater der sozialen Marktwirtschaft, als er Anfang der Sechziger in Köln studierte.

Noch ist unklar, wer Siebert folgt. Der Bonner Geldtheoretiker Jürgen von Hagen ist jetzt im Gespräch. Aber auch Siebert darf sich entscheiden: Man hat ihm ab 2004 die Jelle-Zijlstra-Professur am Netherlands Institute for Advanced Studies angeboten. Oder er schreibt wieder, wie in den Siebzigern. Damals veröffentlichte er das Buch „Nationalökonomologie“ (!). Auf 300 Seiten erklärt er etwa die Ökonomie des Zähneputzens oder die Opportunitätskosten des Heiratens. Das Buch ist allerdings nicht unter Siebert zu finden, sondern unter dem Pseudonym Orestes V. Trebeis. HANNA GERSMANN