: Steuer gegen Flucht
Nach jahrelangem Gerangel lockern EU-Finanzminister das Bankgeheimnis und beschließen die Besteuerung von Zinserträgen aus Fluchtkapital
von HANNES KOCH
Nachdem sich die Finanzminister der EU auf die grenzüberschreitende Besteuerung von Zinsen und die Lockerung des Bankgeheimnisses geeinigt haben, will Bundesfinanzminister Hans Eichel diesen Rückenwind nutzen. Für Deutschland kündigte er gestern die baldige Einführung der so genannten Kontrollmitteilungen an. Banken müssen den Finanzämtern dann automatisch Bescheid geben, wenn auf dem Konto ihrer Kunden Zinsen gutgeschrieben werden.
Eichels grüner Koalitionspartner, die Union und Bankenverbände kritisieren dieses Pläne. Die neue europäische Steuer auf Zinserträge, die die Banken künftig an die Finanzämter abführen, mache eine Lockerung des Bankgeheimnisses überflüssig, heißt es bei den Steuergegnern. Eichels Ministerium argumentierte gestern, die in Deutschland bereits existierende Zinssteuer würde von den Banken anonym und für eine große Anzahl von Bankkunden gemeinsam an die Finanzämter überwiesen. So lasse sich am individuellen Fall nicht nachvollziehen, ob die Steuerzahlung korrekt sei. Diese Lücke sollen Kontrollmitteilungen schließen.
Im Mittelpunkt der Kritik an der geplanten EU-Steuerrichtlinie, auf die sich die 15 EU-Finanzminister am Dienstagabend geeinigt hatten, stehen die Übergangs- und Ausnahmeregelungen. Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnet den Kompromiss als „eigentlichen Emmentalerkäse“. Die globalisierungskritische Organisation Attac erklärte, dass das „Problem der Steuerflucht noch immer nicht gelöst“ sei.
Immerhin konnten die EU-Finanzminister einen Kompromis erzielen, um den sie fünf Jahre gerungen haben. Die gegenseitige Informationspflicht über Zinserträge auf ausländischen Konten bleibt auf 12 EU-Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien, beschränkt. Wichtige Anlageländer für Fluchtkapital aus Deutschland – Luxemburg, Österreich, Belgien und die Schweiz – lockern ihr Bankgeheimnis nicht, erheben aber eine steigende Abgeltungssteuer auf die Zinserträge (siehe Kasten). Diese Steuer – so die Logik – soll es überflüssig machen, Geld ins Ausland zu transportieren.
Das sei nicht ganz richtig, argumentiert Sven Giegold von Attac. Für Geldbesitzer, die zu Hause hohen Einkommensteuersätzen unterworfen seien, könne es sich weiterhin lohnen, Kapital am heimischen Fiskus vorbei etwa nach Österreich zu manövrieren. Schließlich betrage der maximale Steuersatz dort nur 35 Prozent. Die jetzige Einigung liegt laut Attac deshalb weiterhin auf der großen Linie der neoliberalen Globalisierung: Die Steuern für Kapitalbesitzer sinken.
Die ganze Regelung tritt erst dann in Kraft, wenn auch beliebte Fluchtpunkte des Kapitals wie Liechtenstein und Andorra den Vertrag unterschrieben haben. Da aber die Schweiz als in dieser Hinsicht wichtigster Staat sich der Abgeltungssteuer anschließen will, erwartet Bundesfinanzminister Hans Eichel keine Probleme mit den Miniländern. Er rechnet damit, alles bis Ende 2003 unter Dach und Fach zu haben.