piwik no script img

Archiv-Artikel

Alle gegen Amerika

Rechte Intellektuelle nutzen linke Argumente gegen den Krieg: Diskussion über ein Abgrenzungsproblem

BERLIN taz ■ Links und rechts im Gleichschritt? Wer nach neuen Belegen für die alte These von der Verwandtschaft zwischen den Extremen sucht, wird zurzeit schnell fündig. So fragt die National-Zeitung auf Seite eins: „Wie viele Iraker müssen sterben?“ In der Sorge um die Opfer angeblich einig mit der Friedensbewegung, warnt das DVU-Kampfblatt vor einem „Angriffskrieg gegen den wehrlosen Irak“. Auch die Junge Freiheit, die sich als Organ der modernen, „intellektuellen“ Rechten versteht, schreibt über den „imperialen Einfluss der USA“ und bedient sich dabei, wenn es gerade passt, gern linker Kronzeugen: „Für den SPD-Politiker Hermann Scheer ist der Kampf ums Erdöl der wahre Grund für einen Irakkrieg.“

Nun könnte man sagen: Das Publikum, das diese Schriften liest, ist überschaubar. Können linke Kriegsgegner also die Vereinnahmungsversuche und die ähnlich klingenden Parolen aus der rechten Ecke ignorieren? Nein, so leicht dürfe man es sich nicht machen, findet zumindest Grünen-Vordenker Ralf Fücks.

Für den Chef der Heinrich-Böll-Stiftung waren die rechten Anti-Kriegs-Parolen jetzt Anlass für einen Appell. „Wir müssen auf Trennschärfe achten“, forderte Fücks bei einer Diskussion der Böll-Stiftung zum „intellektuellen Rechtsextremismus“ in Berlin. Die „irritierend bekannten Töne“ von rechts müssten zu einer „Selbstreflexion der eigenen Argumente“ führen. Bei allem Engagement für den Frieden dürften Linke „nicht antiamerikanische Klischees“ vertreten. Dies sollte man den Rechten überlassen. Denen gehe es nicht um Pazifismus. „Die USA verkörpern alles, was den Rechten ein Gräuel ist“, nämlich Einwanderung und kulturellen Pluralismus.

Dass die so genannten neuen Rechten, wie die Autoren der Jungen Freiheit, trotz aller Tricks aus eigener Kraft wenig bewirken können, darin waren sich beim Fachgespräch der Böll-Stiftung alle Experten einig. Gefährlich würden sie erst, wenn sie durch demokratische Politiker aufgewertet würden. Während Fücks vor allem vor der Verwechselbarkeit linker und rechter Rhetorik warnte, kritisierte der Politikwissenschaftler Wolfgang Gessenharter, dass CDU-Politiker wie Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm der Jungen Freiheit Interviews geben.

LUKAS WALLRAFF