: berliner szenen Holländische Wahlparty
Sieg für Groenlinks
Europa – eine Grenze, eine Währung und bald zwei Präsidenten. Aber mit wem sitzen wir da eigentlich in einem Boot? Was wissen wir von unseren Nachbarn? Den Niederlanden zum Beispiel?
Diese unbekannten Wesen kennen zu lernen ging ich zur Wahlparty der Niederländischen Botschaft. Die blonde Dame am Empfang gibt jedem einen Stimmzettel zum Schaduwverkiezen, zum Schattenwählen. Mitmachen darf jeder, und dafür gibt es auch ein Bier umsonst. Die Plakate sind im Foyer verteilt, mal sehen: Junge Spitzenkandidaten haben sie, aber nichts da, Politiker brauchen Falten oder doch wenigstens Narben. Die Tierpartei? Sie wirbt mit einer Kuh am Rednerpult. Die zentrale Säule der Landwirtschaft. Die Sozialisten haben als Emblem eine fliegende vollreife Tomate. Sehr geistvoll. Die Qual der Wahl. Vielleicht die Partei ohne „officiele naam“, in Klammern „lijst Ratelband“. Eine Rasselbande? „Die sind total durchgeknallt“, raten die Frauen an der Urne ab, „nimm lieber was Etabliertes.“ Ich wähle. Und? In Holland steht man zu seiner Wahl, konsequent in einem Land ohne Gardinen. Auf der Fernsehleinwand bekennen die Menschen offen in die Kamera, was sie gerade gewählt haben. Erstaunlich. Und anstatt grauer Moderatoren zwei hippe junge Frauen, die in einem Hubschrauber durchs Land jetten. „Die sollen Jungwähler agitieren. In den letzten Monaten haben sie jede Woche den Ministerpräsidenten interviewt.“
Nachahmenswert, aber momentan für Schröder wohl zu heikel. 20.59 Uhr. Der Saal zählt laut die Sekunden. Die ersten Balkendiagramme. Nun wird es vertraut: Christ- und Sozialdemokraten Kopf an Kopf, wir erwarten die Hochrechnung, im Saal gewinnt „Groenlinks“.
CARSTEN WÜHRMANN