: Das Handy als Stoffmuster
Der bunte Kontinent: Eine Ausstellung in Bayreuth stellt neueste „Afrikanische Reklamekunst“ vor, ein aktueller Cultural-Studies-Reader hat „Zeitgenössische Kunst und Kultur aus Afrika“ zum Thema
von ANETT BUSCH
„This is Paul. I want to rub oil into a babe’s round ass, then finger her slack cunt until it’s wet and sticky. Und: „Call immediately“. Eingenäht sind diese Zeilen, gedruckt auf weißer Baumwolle, in den edlen Stoff eines karierten Hemdkragens eingenäht. Genau an der Stelle, wo sonst ein „Boss“-, „Paul Smith“- oder Was-auch-immer-Etikett schillern würde. Der nigerianische Designer Iké Ude, der in New York lebt, macht Ironie-Mode, indem er Markenfetischismus mit Kontaktanzeigen-Prosa verbindet.
Ein anderer Raum, ein anderer Stoff: Baumwolltücher, wie sie in Ghana, Senegal oder Nigeria von den Ladys um die Hüften gebunden getragen werden. Statt traditioneller Muster aber sind die Stoffe mit Handys bedruckt oder mit kompletten Wohnzimmergarnituren inklusive Couch, Teppich und Fernseher. Während Iké Ude aus seiner Markenpersiflage Kunst macht, werden die Handystoffe für die Straße produziert. Wer sich kein teures Wohnzimmer leisten kann, trägt es eben auf dem Po. Wie ernst die Kundinnen die Sache mit den Statussymbolen nehmen und wen diese Stoffe wiederum zum Lachen reizen – wer weiß?
Der Spagat zwischen Kunst und Gebrauchsdesign, Affirmation, Begehren und Kritik; zwischen charmant bunten Bieretiketten und Zigarettenschachteln aus Cotonou, Dakar oder Kinshasa und der bitteren knallbunten Sozialfotografie des Südafrikaners Zwelethu Mthethwa, der riesige Werbetafeln gegen miserable Lebensbedingungen clashen lässt – dazwischen bewegt sich die Ausstellung „Afrikanische Reklamekunst“, die noch bis Mitte Februar in Bayreuth und ab März in München zu sehen ist.
Wer auch immer den gleichnamigen Katalog in die Hände bekommt, reagiert beinahe reflexhaft mit überraschtem Entzücken. Denn Afrika und Werbung scheint eine unwahrscheinliche Verbindung zu sein. Das Afrikabild wird noch immer von Terres des hommes und seinen hungrig-treu blickenden Kinderaugen geprägt.
Das Konzept von Tobias Wendl, dem derzeitigen Leiter des Iwalewa-Hauses, hier gegenzusteuern, könnte also aufgehen. Der Zeitpunkt scheint günstig: Eine neue Ethnologengeneration hat sich längst aufgemacht, das moderne, städtische, hybride Afrika zu beschreiben. Documenta-Leiter Okwui Enwezor versuchte im vergangenen Jahr, den Kunstdiskurs weiter Richtung Afrika zu öffnen, und auch die Ars Electronica in Linz nahm den Kontinent ins Visier. Nicht ganz zufällig liegt nun gleich ein weiterer Band vor, der sich die „Zeitgenössische Kunst und Kultur aus Afrika“ zum Thema gemacht hat: das 49. Jahrbuch für Moderne Kunst aus dem Oktagon Verlag, „Der Hund ist für die Hyäne eine Kolanuss“. Dort erscheinen Autoren wie Tobias Wendl, der in „Der Hund ist für die Hyäne eine Kolanuss“ mit seinem Beitrag „Die Wiederkehr des Bösen. Horrorvideos aus Ghana und Nigeria“ gleich den zweiten Teil seiner als Trilogie konzipierten Ausstellungsreihe vorzustellen scheint, die im Jahre 2004 mit „Afropolis“, einem Blick in die afrikanischen Metropolen, abschließen wird.
Am spannendsten aber wird es dann, wenn die Autoren und Autorinnen nicht allein um ihre und ihrer Kollegen Diskurse kreisen. Mit dem Beitrag „ ‚La parole pour vendre‘ – Über die Sprache in den Zeiten der Werbung“ etwa stellt Janos Riesz den jungen togolesischen Schriftsteller Kossi Efou und dessen Roman „La fabrique de cérémonies“ in den Mittelpunkt seines Schreibens. „La fabrique“ ist im selben Jahr wie Michele Houellebecqs „Plattform“ erschienen und folgt ebenfalls den Spuren des Sextourismus in der außereuropäischen Welt. (Womit wir wieder am Anfang wären: „This is Paul. I want to rub oil into a babe’s round ass …“)
Eigentliches, postmodernes Thema des Romans aber scheint die Auflösung der Sprache jenseits der Werbesprache. Efous Protagonist, ein in Moskau studiert habender, in Paris lebender Fotojournalist aus Togo, ist im Auftrag eines französischen Abenteuerurlaub-Magazins unterwegs. In einem Afrika, in dem er, der polyglotte Afrikaner, sich längst als Fremder fühlt, das er schmackhaft bewerben soll mit der üblichen Authentizitäts-Rhetorik, stürzt er in eine fundamentale Sprachkrise. Er scheint in der Werbetrommel gefangen. Das Gerede vom Authentischen hat seine authentischen Erfahrungen zunichte gemacht. Folgt man Riesz’ Beschreibungen, gehört Kossi Efou neben „Plattform“ oder „39,90“, dem Roman aus der Werbebranche von Frédéric Beigbeder, definitiv in die Bestsellerlisten. Da steht er aber nicht. Warum bloß? Lasst uns Werbung machen für den afrikanischen Werbediskurs.
Bis 16. Februar im Iwalewa-Haus, Bayreuth. Danach Stadtmuseum München, 14. März bis 30. Juni. Katalog: „Afrikanische Reklamekunst“, Tobias Wendl (Hrsg.), Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2002, 29,90 €. „Der Hund ist für die Hyäne eine Kolanuss – Zeitgenössische Kunst und Kultur in Afrika“, Clara Himmelheber, Marjorie Jongbloed, Marcel Odenbach (Hrsg.), Jahresring 49 – Jahrbuch für moderne Kunst, Oktagon Verlag, Köln 2002, 24,80 €