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Archiv-Artikel

Kinderkrippe für die Reichen

Weil Bremen kein Geld für weitere Kinderkrippen locker macht, müssen Eltern bald alleine zahlen. Kostenpunkt: rund 1.000 Euro pro Monat

Wird die Betreuung für die ganz Kleinen zum Privileg der ganz Reichen?

taz ■ Berufstätig trotz Kleinkind – in Bremen ist das nur bedingt möglich. 1.495 Kinder unter drei Jahren sind in Kleinkindgruppen, Kitas, Spielgruppen oder bei TagespflegerInnen untergebracht, meist nur halbtags oder stundenweise. „Der Bedarf ist natürlich höher“, gibt die Sprecherin des Sozialressorts, Heidrun Ide zu. „Aber mehr ist im Moment nicht finanzierbar.“

Diese Antwort bekam auch die Leiterin des Landesverbands der evangelischen Kindertageseinrichtungen, Ilse Wehrmann, als sie unlängst nach städtischen Zuschüssen für weitere Krippenplätze fragte. Vorrangig, so die Regel des Sozialressorts, wird der Kinderbetreuungs-Etat von jährlich 70 Millionen Euro benutzt, um Kindergartenplätze für Über-Dreijährige zu schaffen – die nämlich haben darauf einen Rechtsanspruch. Pech für die Jüngsten: Betreuungsangebote für sie sind freiwillige Leistungen der Kommunen.

Auf die insgesamt rund 40 Krippenplätze, die zum Sommer in der Zions-Gemeinde in der Neustadt sowie voraussichtlich in Schwachhausen und Walle eingerichtet werden sollen, will Wehrmann trotzdem nicht verzichten. Ohne städtische Zuschüsse – bei den Kindergärten etwa machen diese bis zu 80 Prozent der Kosten aus – müssen die Eltern, die ihre Pökse dort tagsüber unterbringen wollen, allerdings tief in die Tasche greifen. Wehrmann rechnet mit Beiträgen von rund 1.100 Euro pro Monat und Kind. Die Betreuung für die ganz Kleinen wird so zum Privileg der ganz Reichen. „Damit schließen wir manche aus“, gibt Wehrmann zu. Das Modell sei aber immerhin ein „Einstieg“ in die Kleinkind-Betreuung.

Trotz der hohen Gebühren befürchtet die Kindergarten-Chefin der evangelischen Kirche nicht, dass auch nur einer der teuren Krippenplätze unbesetzt bleiben könnte. Ein Ganztagsangebot nämlich steht in Bremen zurzeit lediglich für sieben Prozent aller Kinder unter drei Jahren zur Verfügung. Über 100 Eltern, sagt Wehrmann, hätten in diesem Jahr bei den Evangelen bereits nach Krippenplätzen gefragt. „Der Erziehungsurlaub endet nach zwei Jahren, einen Kindergartenplatz gibt es erst ab drei“, kritisiert sie.

Ähnliche Erfahrungen hat der Verbund Bremer Kindergruppen gemacht, in dem sich die von Eltern initiierten Kleinkindgruppen zusammengeschlossen haben. Die Zahl der Bewerbungen, so eine vorläufige Statistik, übertrifft die der Plätze um mehr als das Fünffache. „Wir haben bis zu 20 Anfragen pro Tag“, sagt Mitarbeiterin Catrin Rose.

Auch die Elterninitiativen leiden an Geldmangel. Koch- und Putz-Dienst organisieren sie bereits selbst; sind die BetreuerInnen krank, übernehmen die Eltern sogar deren Vertretung. Die Stadt, klagt Rose, dränge aber darauf, nur noch Kinder mit berufstätigen Eltern aufzunehmen – ein Widerspruch, findet sie: „Die müssen sich dann Urlaub nehmen, um hier mitzuhelfen.“

Etwa hundert Alleinerziehende sind in Bremen allein wegen der fehlenden Krippenplätze für ihre Kinder auf Sozialhilfe angewiesen. Zumindest ihnen will das Sozialressort jetzt Job und Kinderbetreuung vermitteln. Das Geld dazu kommt aus dem Sozialhilfe-Topf. Armin Simon