Jugendlicher Light-Sinn

Wie gehen Kids mit ihrem Körper um? Fitnesswahn, Diätenstress und Kosmetikzwang: Die Instrumentalisierung des Körpers ist für sie alltäglich. Ein Oldenburger Projekt will das bewusst machen

„Körperbild und Gefühl. Gehört das zusammen?“ fragt ein Workshop

taz ■ Der Handel hat es längst begriffen: Kinder tragen nicht mehr die Kleidung ihrer älteren Geschwister auf. Es muß die hippe Jeans sein, die am Hintern besonders knackig sitzt. Darum gibt es die jetzt auch schon in Größe 25. In kindlicher Augenhöhe baumeln Stringtangas, Lidschatten liegt griffbereit. Wer glaubt, nur Mädchen eifern ihren Idealen nach, der irrt: Auch Jungen sorgen sich um den perfekten Teint und stylen ihren Body.

Exzessiver Sport, Dauerdiät oder Party-Droge: Der Körper muss funktionieren, um Erfolg und Anerkennung zu ernten. Diese Message kommt fast täglich per Internet, Fernsehen oder Zeitschrift im Kinderzimmer an. „Das Internet erreicht doch heute schon 13-Jährige“, weiß Silvia von Düffel, Psychotherapeutin im Oldenburger Gesundheitsamt. Sie berichtet von Kindergartenkindern, die das Essen verweigern, aus Angst dick zu werden.

Von Düffel ist Gründerin des „Arbeitskreises Essstörungen“ in Oldenburg und Mitinitiatorin eines Pilotprojektes, mit dem Titel „Mein Körper und Ich“. Am Donnerstag war der erste Projekttag, bis Dienstag folgen noch zwei weitere. In Zusammenarbeit mit dem Frauenbüro, zwei Suchtberatungsstellen, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und StudentInnen der Universität hat sie für Oldenburger SchülerInnen einen Tag mit Workshops und Gesprächen organisiert, die sich um das Thema Körper drehen. Das Angebot richtet sich an zehnte Klassen der Haupt- und Realschulen.

Mit der Frage „Muss ich meinen Körper auf den Markt werfen?“ wollen die OrganisatorInnen bei den Jugendlichen „ein Bewusstsein für die Bedürfnisse ihres Körpers schaffen und sie dazu anregen, Idealbilder in Frage zu stellen“, erklärt Düffel. Sie will Jungen und Mädchen zeigen, dass die „Traummaße“ rein biologisch nur von sieben Prozent der Mädchen und Frauen erfüllt werden. Für die restlichen 93 Prozent bleibe als Alternative, auf die eigenen Persönlichkeit zu vertrauen. Deshalb zielen die meisten Übungen des Projekttages auch auf die Festigung des Selbstbewusstseins. In Gruppen – erst mal getrennt nach Geschlecht – geht es um Themen wie: „Körperbild und Gefühl. Gehört das zusammen?“ oder „Wann ist „Mann“ ein Mann?“ Das männliche Körperbild habe sich in den letzten Jahren gewandelt: Der Mann stehe mitlerweile genauso unter kosmetischem Druck wie die Frau, hat von Düffel beobachtet. Einen Grund für diesen Trend sieht sie auch in der Überforderung der Eltern. „Es gibt viele Eltern, die nicht mehr wissen was normal ist.“ Das zeige sich etwa dann, wenn sie sich nicht trauten ihren Kindern Statussymbole vorzuenthalten. Sie will Väter und Mütter für die Schwierigkeiten ihrer Kinder sensibilisieren.

Das 12-köpfige Team kümmert sich um zwei bis drei Klassen an jedem Projekttag, in den LehrerInnen miteinbezogen werden. Das Konzept stammt von ExpertInnen der verschiedenen Einrichtungen in Zusammenarbeit mit den PädagogikstudentInnen. Die sind das Bindeglied zwischen den Generationen und werten das Ergebnis wissenschaftlich aus. Der von Silvia von Düffel angebotene Workshop heißt „Kotzen, fressen, hungern“ und spricht provokativ ein Tabu an. „Die Zahl der Magersüchtigen steigt“, weiß die Expertin. In vielen Beratungsstellen müssten betroffene Jungen und Mädchen bereits auf die Warteliste gesetzt werden. „Essstörungen sind immer nur das Symptom“, erklärt sie. Betroffene Jugendliche müssen wissen, wo sie Unterstützung finden können. Laura Ewert