: Kampf um die Unentschlossenen
Dass der Likud die israelischen Wahlen gewinnt, scheint sicher. Fragt sich nur, wer künftig wie mitregieren wird. Aufgrund der Korruptionsaffären, in die der Likud verwickelt ist, dürfte vor allem die rechtsextreme Nationale Union deutlich zulegen
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Wenige Tage vor der israelischen Parlamentswahl sind noch knapp 20 Prozent der Wähler unentschlossen. Dabei steht für die wenigsten die Wahl zwischen rechts und links zur Debatte, sondern eher, wie extrem ihre Entscheidung ausfallen soll. Der Wahlkampf der beiden großen Parteien Likud und Arbeitspartei konzentriert sich auf diese noch beeinflussbare Gruppe. „Jeder, der nicht den Vorsitzenden der Arbeitspartei Amram Mitzna als Premier haben will, muss für den Likud stimmen“, warnt Außenminister Benjamin Netanjahu, der zunehmend in den Wahlspots der Partei auftaucht. „Wer Likud wählt, macht [Schimon] Peres zum Außenminister“, kontert wiederum Avigdor Lieberman, Chef der Nationalen Union.
Denn einem Sieg des Likud – das belegen auch jüngste Umfragen – steht wohl nichts mehr im Weg. Offen ist nur noch, welche Koalition Scharon bilden wird. Dass die Arbeitspartei ein erneutes Zusammengehen mit dem Likud unter Scharon ablehnt, beeindruckt den Chef der rechts-extremen Partei offenbar nicht. Sollte Lieberman, der laut Umfragen deutlich gestärkt in die kommende Regierungsperiode gehen wird, weiter im Kabinett bleiben, sind weder Verhandlungen noch gar Kompromisse mit den Palästinensern möglich.
Von einem „Transfer“ ist in dem Parteiprogramm die Rede. Gemeint ist die Umsiedlung palästinensischer Flüchtlinge in arabische Nachbarländer. Einen Staat Palästina dürfe es westlich vom Jordan niemals geben. Stattdessen schwebt dem Parteichef der Nationalen Union die Errichtung von „Kantonen“ vor, deren Bevölkerung administrativ zur jordanischen Monarchie gehört und auch nur dort wählen darf.
„Jordanien ist de facto Palästina“, erklärt Uri Bank, die Nummer zehn auf der Kandidatenliste der Nationalen Union. Der 34-Jährige hat gute Chancen, in Kürze Abgeordneter zu werden, denn die rechtsextreme Liste gehört zu den Gewinnern der den Likud erschütternden Korruptionsaffäre. Wie Lieberman wohnt auch Bank in einer jüdischen Siedlung, die, „sobald wir in der Regierung sitzen“, weiter ausgebaut werden soll. Rund 130 Millionen Schekel (ca. 25 Millionen Euro) stünden dafür monatlich zur Verfügung, meint er, „so viel überweist Israel regelmäßig an die palästinensische Verwaltungsbehörde“.
Zur Errichtung einer rechts-nationalen Regierung reichen Scharon die Mandate der Nationalen Union indes nicht aus. Mit von der Partie wären zudem die orthodox-orientalische Partei Schas, mit etwa zehn Sitzen, sowie die National-Religiöse Partei und die ultraorthodoxe Liste. Alle zusammen könnten mit rund 67 der 120 Knessetsitze eine klare Mehrheit stellen.
Die Hauptsorge der Partei gilt ihrer Klientel: den frommen Sephardim (Juden, die aus arabischen Staaten eingewandert sind). Staatliche Subventionen für Kindergärten, Schulen und religiöse Einrichtungen stehen ganz oben auf der Agenda der Partei. Um die zu gewährleisten, ist die Schas zu politischen Zugeständnissen bereit, auch zu territorialen Kompromissen mit den Palästinensern. Dennoch würde sie eine Koalition mit dem Likud vorziehen. Vermutlich auch wegen der Umfragen, die Mitzna keine Chancen einräumen, verfolgt die stets opportunistische Schas eine strikt gegen die Arbeitspartei gerichtete Wahlkampagne. „Wir glauben an dich, Mitzna“, ist einer der Slogans der Sozialisten. „Das ist Blasphemie“, schimpft Ex-Schas-Chef Arieh Deri, denn Juden dürften nur an Gott glauben. Und die „gläubigen Juden stimmen für Schas“, heißt es auf ihren Wahlplakaten.
Traditioneller Partner des Likud sind die National-Religiösen, die Partei, die vor allem unter den jüdischen Siedlern in den Palästinensergebieten große Sympathien genießt. Sollte Scharon, infolge internationalen Drucks zu einer Einstellung des Siedlungsbaus gezwungen werden, dann wird das nicht ohne den Protest dieser Partei verlaufen. Dennoch wissen die National-Religiösen aus Erfahrung, dass ein Misstrauensvotum und der Sturz einer rechtsnationalen Regierung schlimm enden können. Anfang der 90er musste der damalige Likud-Premierminister Jitzhak Schamir infolge ihres Votums abtreten, dafür kam der Sozialist Jitzhak Rabin und brachte den Osloer Friedensprozess.