: Der verdrängte Bildungsskandal
betr.: „Die chancenlosen Sonderschüler“, taz vom 22. 9. 08
Alle Jahre wieder kommt der erste Schultag und mit ihm tausendfacher Frühstart, aber auch Kritik an zu großen Klassen und zu wenig Lehrkräften. 10 Prozent der Erstklässler allerdings stehen in Nürnberg da schon im Schatten. Ihr erster Schultag findet in Förderschulen (zur Hälfte in Förderzentren) statt – für viele an einem Ort, der lange Schulwege bedeutet und sie von der Kindergemeinschaft im Wohngebiet nachhaltig ausschließt.
Es interessieren weder die seelischen Verletzungen noch die fehlende gesellschaftliche und berufliche Zukunft von Förderschulkindern. Und während die Parteien um das „dreigliedrige“ Schulsystem streiten, entgeht ihnen diese erste, folgenschwere Selektion zur Viergliedrigkeit.
Um wirklich allen Schulkindern von Anfang an gerecht zu werden, reichen allerdings kleinere Klassen und mehr Lehrkräfte nicht aus. Von integrativen Kindergärten kann Schule lernen, wie man gemeinsam mit sehr verschiedenen Kindern erfolgreich Bildungsarbeit leistet. Die Inklusion aller Kinder bedeutet, dass individuelle Pädagogik und Förderung endlich normal würden, dafür müsste sich die Grundschule grundlegend und nachhaltig verändern. Mit einem multiprofessionellen Team von Lehrkräften und sozial- und heilpädagogischen Fachkräften ausgestattet, ohne Noten, mit individuellen Lernplänen und intensiver Einbindung der Eltern könnte die inklusive Schule vom ersten Schultag an starten. Man müsste ihr nur auch in Bayern politisch eine Chance geben.
GÜNTHER SCHEDEL-GSCHWENDTNER, Nürnberg
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