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Archiv-Artikel

Quadratur des Gewächshauses

Die Vier- und Marschlande sind im Strukturwandel begriffen: Viele Betriebe werden verschwinden. Das Gesicht der Landschaft wird sich verändern. Die Bauern begegnen dem wirtschaftlichen Druck durch Direktvermarktung und Zusammenarbeit

„Ein Betriebszweig Umwelt- und Naturschutzleistung wird entstehen“

von GERNOT KNÖDLER

Die Zahl der Gartenbaubetriebe in Hamburg wird sich in den kommenden Jahren dramatisch verringern. Setzt sich der Trend fort, wird es 2012 bloß noch 380 Gärtnereien und Gemüse-Bauernhöfe geben, schätzt Hans-Peter Pohl, Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer. Heute sind es 610. Die Vier- und Marschlande, wo sich die meisten dieser Betriebe befinden, werden ihr Gesicht verändern.

Auslöser für diese Entwicklung sei der „extreme Preisverfall“ (Pohl) auf dem Großmarkt. „Die Schärfe lässt sich daran erkennen, dass unheimlich viele Schnittblumen zu Dumping-Preisen importiert werden“, sagt Pohl. Viele Nebenerwerbsbetriebe böten ihre Produkte nicht zu kostendeckenden Preisen an. Außerdem sei Deutschland in den vergangenen Jahren von Produzenten in anderen Ländern als ein lukrativer Markt entdeckt worden, sagt Paul Helle, Geschäftsführer des Gartenbauverbandes Nord. In Staaten wie den Niederlanden oder Dänemark habe der Gartenbau einen ganz anderen Stellenwert. Das schlägt sich in modernen Anbauverfahren und ökonomischen Vorteilen aus einer höheren Gesamtproduktion nieder.

Die Vier- und Marschlande mit ihrer historisch geprägten, kleinteiligen Struktur haben es schwer, mitzuhalten. „Als ich diese Stücke zum ersten Mal sah, habe ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen“, erinnert sich Pohl. Handtuchschmal liegen die Grundstücke aneinander, langgestreckt sind deshalb die Gewächshäuser, die auf ihnen stehen. Ihr ungünstiges Verhältnis zwischen umbautem Raum und Außenfläche führt zu einem unnötig hohen Energieverbrauch.

„Der Gemüsebau verabschiedete sich weitestgehend von Heizungen“, sagt der Kreisgärtnermeister Erhard Lesemann aus Reitbroock. Eine Ernte falle deshalb aus. Kammer-Geschäftsführer Pohl rechnet damit, dass in den nächsten Jahren vor allem Nebenerwerbsbetriebe aufgeben werden. Der Strukturwandel kann seiner Ansicht nach gelingen, wenn diese Marktbereinigung genutzt werde. Es gehe darum, das Vermögen derjenigen zu sichern, die aufgeben und gleichzeitig die Chancen derer zu verbessern, die weitermachen.

Die Gestalt der Vier- und Marschlande wird sich verändern: Gelingt es, Flurstücke zusammenzulegen, kann es große, quadratisch geschnittene Gewächshäuser geben. Einige der Gräben, Heimat für Frösche und Insekten, werden durch Rohre ersetzt werden, obwohl Pohl beruhigt: „Wir werden uns von der Grabenstruktur nicht lösen können.“ Die starken Regenfälle des vergangenen Sommers zeigten das überdeutlich.

Auch die Großstadt greift nach dem Land. „Es ist regelmäßig so, dass die Bauliste für die Vier- und Marschlande länger ist, als für das Kerngebiet“, sagt Bergedorfs Bezirksamtsleiter Christoph Krupp (SPD). Krupp versucht, mit Bebauungsplänen gegenzusteuern. „In meinem Zukunftskonzept für die Vier- und Marschlande stehen die Landwirtschaft und der Gartenbau an erster Stelle“, beteuert er. Sein Wunsch, den Charakter der Kulturlandschaft zu erhalten und zu entwickeln, stößt auf eine unübersichtliche Interessenlage: Bauern verkaufen an Städter, weil sie zu Geld kommen wollen und staunen, dass diese sich beschweren, wenn in ihrer idyllischen neuen Heimat morgens um fünf einer Trecker fährt.

Der Versuch, eine Zersiedlung zu verhindern, kollidiert bisweilen mit den Entwicklungsvorstellungen der Landwirte. Auf dem Krauel hat die Wirtschaftsbehörde ein Pilotprojekt geplant, bei dem ein Gartenbaubetrieb, der Ökohof Eggers und das Zollenspieker Fährhaus zusammenarbeiten sollten – eine Verbindung von Tourismus, Naturschutz und Landwirtschaft. Kröger zufolge soll noch ein Skulpturenpark dazukommen, doch der Bildhauer bekomme keine Baugenehmigung für sein Atelier. Um im Wettbewerb bestehen zu können, setzt der Gärtnermeister auf Direktvermarktung. Über die Kraueler Pflanzen-Agentur verkaufen 15 Gärtnereien ihre Produkte in der Metropolregion. Ohne Zwischenhandel bleibt mehr Geld bei den Produzenten hängen. Die Transportwege werden kürzer, die Pflanzen bleiben frisch.

Zunehmend werden die Bauern direkt für den Naturschutz entlohnt werden, etwa für die extensive Bewirtschaftung von Wiesen. „Ein Betriebszweig Umwelt- und Naturschutzleistungen wird entstehen“, prognostiziert Pohl. Dazu werden vermehrt Miet- und Pachteinnahmen kommen. Wenn es gelinge, alle Möglichkeiten zu nutzen, sagt der Kammer-Geschäftsführer, sei „der Strukurwandel eigentlich ganz erträglich“.