Ramschen – das ganze Jahr

20, 30 oder 80 Prozent – im Schlussverkauf ist alles drin. Heute beginnt der Ansturm auf die Wühltische, vielleicht das letzte Mal. Justizministerin Zypries will den Saisonausverkauf abschaffen

von AGNES CIUPERCA

Heute wird Berlins billigster Tag – sagt jedenfalls der Einzelhandel voraus. Er will mit einem unvergleichlichen Preiskampf in den Einkaufsboxring locken. Extra scharf reduzierte Waren lassen kein Entweder-oder zu, und Geiz war noch nie so geil. Der Winterschlussverkauf (WSV) beginnt – es ist möglicherweise der letzte in der bundesrepublikanischen Geschichte.

Länger, öfter oder ganz einfach ohne zeitliche Beschränkungen sollen Kunden in Zukunft zu ihren Schnäppchen kommen, wenn es nach Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) geht. Mit der Liberalisierung des Wettbewerbsgesetzes sollen die Bestimmungen über Schlussverkäufe ganz wegfallen. Künftig soll es allein dem Handel überlassen bleiben, wann und wie die Saisonkleidung auf den Billigmarkt kommt.

Besonders dem Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) geht das gegen den Strich. „Das ganze Jahr Schlussverkauf ist doch illusorisch“, sagt Hubertus Pellengahr, Sprecher des HDE. Dabei gesteht er gleichzeitig ein, dass dauernde Rabattaktionen nicht zu verhindern seien. Angesichts der stagnierend geringen Kaufkraft bei den Berlinern müssten die Einzelhändler sich schließlich dauernd unterbieten, um die Kunden in die Geschäfte zu holen. Der Winterschlussverkauf war bisher das fulminante Finale der Schlacht um Prozente. Und das soll auch so bleiben. „Mit dem Winterschlussverkauf verbinden die Deutschen eine 50 Jahre währende Tradition“, sagt Pellengahr. Hinzu komme, dass sich der WSV als Markenname etabliert hat. In der letzten Januarwoche jedes Jahres werden die Kunden noch einmal moblisiert. Denn, so der Einzelhandelssprecher, „billiger wird es nicht“.

Für Liberalisierungsbefürworter wie den Schnäppchenführer-Autor Heinz Waldmüller ist die geplante Gesetzesänderung längst überfällig: „Das Gesetz holt doch bloß die Wirklichkeit ein.“ Und in der Wirklichkeit bekämpfen sich die großen Kaufhausketten bereits heute mit allen zur Verfügung stehenden Werbemitteln. Kaufhof macht „Rabattz“ gegen Karstadt mit „Jetzt mehr pro Cent“, und für C&A -Kunden ist heute der billigste Tag. Sie würden den Preiskampf zudem längst allein unter sich ausmachen. Waldmüller sagt daher Unterbietungsaktionen auch für die kommenden Jahre voraus – auch ohne offiziellen Winterschlussverkauf. „Die letzten zwei Wochen vor der neuen Kollektion wird es immer geben“ – trotz aller Befürchtungen des Einzelhandels.

„Unterm Strich werden die Produkte nicht günstiger werden, denn der Preisspielraum ist fast ausgeschöpft“, sagt der Marketingexperte an der Freien Universität Berlin, Martin Eisend. Für die Kaufwütigen rechne sich der Warenüberschuss. Vor allem nach der bisherigen Konsumflaute sind die „Lager noch gut gefüllt“, sagt Pellengahr. Bis zu 80 Prozent Nachlass wollen die Kaufhäuser deshalb gewähren. Der Winterschlussverkauf ist auf seinem Höhepunkt.