: Dominoeffekt für Kohlekraft
Nach der Genehmigung für Moorburg befürchten Umweltschützer den Durchbruch für Kohlemeiler im Norden. BUND fordert Umwelt-Auflagen wie in Hamburg auch für den Meiler in Lubmin, der noch größer als in Moorburg werden soll
Der Protest gegen die Kohlekraft erreicht die Hauptstadt: Am kommenden Dienstag will das Aktionsbündnis „Zukunft statt Kohle!“ vor dem Bundeskanzleramt in Berlin ein Kohlekraftwerk in Form eines fünf Meter hohen Dinosauriers errichten – als direkte Reaktion auf die Genehmigung für den Hamburger Kohlemeiler Moorburg.
Die Aktion ist der Auftakt einer zweiwöchigen Tour des Aktionsbündnisses, das von der Klima-Allianz getragen wird, einem Bündnis aus über 100 Organisationen, dem Online-Kampagnen-Netzwerk Campact und dem Infoportal Wir-Klimaretter.de. Das Bündnis macht an vier Orten im Norden Station, an denen Kohlekraftwerke geplant sind: am 17. 10. in Brunsbüttel, am 18. 10. in Stade, am 19. 10. in Dörpen (Emsland) und am 22. 10. in Schwerin, wo es gegen das geplante Kohlekraftwerk Lubmin bei Greifswald geht.
Arndt Müller, Umweltexperte des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Schwerin, hält die Genehmigung für Moorburg „für einen folgenschweren energie- und umweltpolitischen Irrweg auf Kosten von Allgemeinheit und Umwelt“. Andererseits sieht er in den „massiven Auflagen“, welche die Hamburger Umweltbehörde verhängt hat, einen gewissen Modellcharakter. Diese sollten auch für Lubmin „weitreichende Konsequenzen“ haben.
Moorburg sehe Kraft-Wärme-Kopplung vor und hebe sich damit deutlich von den Plänen in Lubmin ab, dennoch müsse Vattenfall die Leistung drosseln, so Müller. Deshalb müsse das „technisch veraltete“ Projekt des staatlichen dänischen Energieunternehmens Dong sofort eingestellt werden: „Am Greifswalder Bodden sind weit mehr Gesundheits- und Naturschutzfragen zu klären als in Hamburg. Die Genehmigung in Moorburg ist ein Signal an Dong, jetzt aufzugeben.“
Dong plant auf dem Gelände des früheren Atomkraftwerks Lubmin den Bau von bis zu drei Blöcken mit jeweils 800 Megawatt Leistung. Damit wäre es noch größer als Moorburg, das mit zwei Blöcken zu 826 Megawatt zurzeit das größte in Bau befindliche Kohlekraftwerk Deutschlands ist. Lubmin soll in etwa fünf Jahren ans Netz gehen. Nach Angaben von Umweltverbänden würden dadurch jährlich rund zehn bis 16 Millionen Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids freigesetzt.
Der Umweltexperte der Linken im niedersächsischen Landtag, Kurt Herzog, warnte wegen Moorburg vor einem „Domino-Effekt“ für Niedersachsen. „Es droht ein Rückfall in das Steinkohlezeitalter“, sagte er. Die Genehmigung von Moorburg durch die schwarz-grüne Koalition in Hamburg zeige, dass die Grünen kein verlässlicher Partner im Kampf gegen Kohle- und Atomkraft seien, kritisierte Herzog. Im Kampf gegen neue Kohlekraftwerke setze seine Partei deshalb auch auf die außerparlamentarische Opposition, erklärte Herzog. „In Bremen oder in Kiel konnte der Bau von Kraftwerken verhindert werden. Das war weniger ein Verdienst der Politik, sondern eher der Verdienst von Initiativen vor Ort“, glaubt Herzog.
Die zwölf in Norddeutschland geplanten Kohlemeiler seien „eine gigantische Fehlinvestition“, findet Marlies Fritzen, grüne Parteivorsitzende in Schleswig-Holstein: „Kohlestrom ist ein Irrweg, der endlich verlassen werden muss.“ Sven-Michael Veit