schnittplatz
: „Guter Rat“ billig

Guter Rat ist billig. Guter Rat kostet zwei Euro. In Österreich kostet er zwanzig Cent mehr. Ein angemessener Preis für ein Produkt, bei dem – so weissagt die aktuelle Werbekampagne – für uns Konsumenten „richtig was rausspringt“.

Guter Rat kommt aus dem Hause Superillu und nennt sich selbst ein „modernes Ratgeber-Magazin“. So modern, dass man in doppelseitigen Anzeigen mit einer jungen Frau wirbt, die „in einer richtigen Patchwork-Familie“ lebt. Und einer anderen, deren Fitness-Video ein Guter Rat war. „Wissenschaftlich getestet“ natürlich. Einem älteren Herren mit Einstecktuch und Lesebrille hilft das Magazin, an die „Flugschnäppchen ranzukommen“. Man ahnt es schon: Guter Rat kümmert sich um alles und jeden. Eine willkommene Dienstleistung in unserer geizgeilen Zeit.

Nicht umsonst liegt das Blatt genau dort im Zeitschriftenregal, wo auch die printmedialen Anlagetipps anzutreffen sind. Oder besser gesagt: anzutreffen waren. Es ist ein Produkt für die Kollektivmythen der Krisengeschüttelten. Wo kein Geld zum Anlegen mehr da ist, suggeriert Guter Rat wenigstens, dass man nach der Lektüre weniger ablegen müsse. Artikel wie „Einmal gewählt, für immer gespart“ oder „So holen Sie sich Ihr Geld zurück“ sorgen sich um die Telefonrechnungen und Steuererklärungen der Leser.

Eine Reportage über den Preiskampf der Billig-Airlines verpacken die Berliner Blattmacher derweil in der übersichtlichen Ästhetik eines Foto-Romans. „Air Berlin schult sein Personal unter realistischen Bedingungen“, ist da unter der Aufnahme einer grinsenden Stewardess zu lesen. Aha.

Irgendwo zwischen Focus und Computer-Bild verortet sich das gerade plump modernisierte Lay-out eines im Übrigen überaus traditionsreichen Magazins. Denn Guter Rat war schon zu DDR-Zeiten lieb und teuer – weil es der real existierenden Mangelwirtschaft mit schlicht unbezahlbaren Tipps und Kniffen begegnete.

Vom Fliesenlegen bis zum Bastelvergnügen, Guter Rat half dort, wo die staatlich verordnete Konsumpraxis nur leere Regale anzubieten hatte. Eine Zeitschrift, die sich an Unmöglichem versuchte. Damit verglichen ist Guter Rat 2003 tatsächlich nicht mehr als ein billiges Angebot. CLEMENS NIEDENTHAL