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Archiv-Artikel

vorlauf bühne Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Schon länger dringt ein merkwürdiges Schluchzen aus der Presseabteilung des Deutschen Theaters, wo man jetzt anscheinend nicht mehr nur Pressetexte, sondern auch kleine Dramen verfasst. Zuletzt ging es um einen alten Patienten, der wegen theatralischer Unterernährung (und zu viel „mehrheitsfähigem Pop“ auf dem Spielplan) in der Notaufnahme der Charité gelandet war. Jetzt sehnt man sich „nach besseren Tagen, nach schöneren Zeiten“. Als Therapie werden Produkte des eigenen Hauses verordnet: am Samstag Marcus Mislins Fassung eines Kapitels von Thomas Manns „Zauberberg“, das „Fülle des Wohllauts“ heißt, in dem uns Dieter Mann als Hans Castorp „all das Widrige“ für kurze Zeit vergessen lassen will. Castorp gegen Castorf sozusagen, dessen Volksbühne uns auf all das Widrige immer wieder mit der Nase stößt: diese Woche noch einmal mit Schlingensiefs Kunstausbruchsversuchen „Atta Atta“ (Freitag bis Sonntag). In den Sophiensaelen fällt die Uraufführung von Tim Staffels „Das Mädchen mit dem Flammenwerfer“ leider aus. Stattdessen inszeniert Paul Plamper Büchners „Woyzeck“, indem er das berühmte Fragment auf eine einzige Grundsituation reduziert (Freitag). Im Studio des Maxim Gorki Theaters hat man eine seltsame Hommage vorbereitet: und zwar gilt sie einer Sauna, die angeblich zwanzig Jahre unter der Studiobühne gelegen war. Schwitztechnisch nun obdachlose Schauspieler erzählen in „Sauna“ ab Sonntag nach einer Idee von Joachim Meyerhoff von diesen Zeiten, die längst vergangen sind. Seit vergangenem Samstag zeigt die Stiftung Archiv der Akademie der Künste eine Ausstellung, die dem großen deutschen Schauspielerpaar Johanna Hofe/Fritz Kortner gewidmet ist (Pariser Platz 6).