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Archiv-Artikel

■ Weitere Reaktionen zum Debattenbeitrag von Jeffrey Gedmin Der Zweck heiligt nicht die Mittel

betr.: „Wann ist ein Krieg gerecht?“ (Die amerikanische Außenpolitik ist klug und besonnen – eine Antwort auf den offenen Brief des US-Historikers Norman Birnbaum), taz vom 18. 1. 03

Sehr geehrter Herr Gedmin, als Historiker fühle ich mich mit dem Aspen Institute seit Jahren verbunden, zumal ich mich wissenschaftlich sehr intensiv mit der US-amerikanischen Besatzungspolitik zwischen 1945 und 1949 befasst habe und in diesem Zusammenhang natürlich auch mit Shep Stone. Zu Fragen US-amerikanischer Besatzungspolitik halte ich regelmäßig Vorträge, zuletzt vor wenigen Wochen an der San Francisco State University. Ich habe darüber aber auch schon in Washington gesprochen, und schon häufig haben mich die US-Militärs in Stuttgart für Fortbildungszwecke eingeladen. Nun habe ich auf Ihrer Homepage Ihren Artikel „Wann ist ein Krieg gerecht?“ als Antwort auf Norman Birnbaum gelesen, und ich muss bei aller Zurückhaltung sagen, dass ich fassungslos bin.

Auch ich gehöre zu jenen, die der Meinung sind, dass das, was in Folge von Franklin D. Roosevelts Initiative weltweit an Rechtsstaatlichkeit und verbindlichem Völkerrecht aufgebaut wurde, nicht einfach preisgegeben werden darf. Das Verbot eines Angriffskrieges ist eine der wichtigsten zivilisatorischen Errungenschaften nach 1945, und ich glaube nicht, dass Sie sich darüber im Klaren sind, was es bedeutet, wenn nun das in Jahrzehnten Aufgebaute über Bord geworfen wird.

[…] Sie behaupten ernsthaft, Herr Bush strebe die Demokratisierung des Nahen Ostens an. Ich frage mich nur, warum beginnt er damit nicht in den vielen arabischen Staaten, in denen bereits US-Truppen stationiert sind? Wenn man beispielsweise die Amnesty-international-Berichte betreffend Saudi-Arabien liest, dann wird einem regelrecht schlecht. Dass die derzeitige amerikanische Regierung aber versuchen würde, Saudi-Arabien zu demokratisieren, davon spüre ich herzlich wenig, und nach dem ersten Golfkrieg wurde flugs das kuwaitische Herrscherhaus reinstalliert, und das Gerede von der neuen Weltordnung verschwand wieder in irgendwelchen Schubladen.

Wie keine andere Regierung stabilisieren die USA autoritäre und menschenrechtsverletzende Regime im Nahen Osten, aber der EU werfen Sie Anbiederung an diese Diktatoren unter dem Deckmantel „des kritischen Dialoges“ vor. Was mich besonders an Ihren Zeilen stört, ist der Umstand, dass die vielen unschuldigen Zivilisten im Irak offensichtlich keine Rolle spielen. Diese Menschen haben Saddam Hussein nicht gewählt, und daher tragen wir, die wir Saddam Hussein jahrelang unterstützt haben, auch eine ganz besondere Verantwortung für die Unversehrtheit dieser Menschen.

Wenn Sie ernsthaft glauben, mit einem Krieg ließe sich der Nahe Osten demokratisieren, dann scheinen Sie vom Nahen Osten nicht besonders viel zu verstehen. Die radikalen islamistischen Kräfte werden bereits jetzt durch die aggressive und unkluge Rhetorik des amerikanischen Präsidenten gestärkt, die Sicherheitslage Israels verschlechtert sich weiter, weltweit erfahren antiwestliche Bewegungen Zulauf, terroristische Gruppierungen werden sich andere Staaten als Basis suchen, Anschläge werden zunehmen. Möglicherweise werden wir dann feststellen, dass von Libyen aus terroristische Anschläge verübt werden, und dann werden Sie dafür plädieren, Libyen zu überfallen. Vielleicht werden radikale Gruppen ihr Basislager dann in Syrien aufschlagen, und dann werden wir wahrscheinlich Syrien überfallen usw.

Die Politik der harten Vergeltung und des Zurückschlagens ohne Augenmaß ist bereits in Israel gescheitert. Die Motive von Herrn Scharon sind natürlich nachvollziehbar, aber die Mittel, die er einsetzt, sind kontraproduktiv. Wollen wir diese verhängnisvolle Strategie nun weltweit anwenden? […] Wenn Amerika so weitermacht, wird Amerika Mühe haben zu erklären, worin der fundamentale Unterschied zwischen den USA und einem Schurkenstaat besteht. Im Rechtsstaat heiligt niemals der Zweck die Mittel. Die überlegene Würde der Rechtsstaatlichkeit gründet darauf, dass Rechtsstaatsprinzipien immer auch auf die Gegner des Rechts angewendet werden müssen. (Zu netten Freunden nett sein können auch Despoten). Für uns Deutsche waren die Nürnberger Prozesse eine wichtige Lektion: Auch die schlimmsten Menschheitsverbrecher bekamen einen öffentlichen, fairen Prozess. Und was macht Herr Bush? Der Umgang mit den Taliban-Gefangenen ist für die weltweite Menschenrechtslage ein Desaster.

Ein Krieg gegen den Irak würde mehr Probleme schaffen, als er lösen könnte. Wir müssen auf die Demokratisierung jener Staaten hinwirken, auf die wir bereits jetzt erheblichen Einfluss haben. Die UNO muss gestärkt und nicht geschwächt werden. Wir brauchen einen Staat Israel, der bereit ist, sich an UN-Resolutionen zu halten, denn nur dadurch kann die Sicherheitslage Israels nachhaltig verbessert werden und der Westen im Nahen Osten seine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Besonders wichtig: Wir brauchen eine vorausschauende und klügere Waffenexportpolitik.

Es kann nicht sein, dass wir irgendwelche Diktatoren unterstützen und dann, wenn diese uns aus dem Ruder laufen, jene bombardieren, die von diesen Despoten unterdrückt werden.

DR. ULRICH M. BAUSCH, Kirchentellinsfurt

Ich habe deinen Brief an Norman Birnbaum gelesen. Es ist ein guter Brief, Jeff. Du stellst wichtige Fragen:

Wann ist ein Krieg gerecht? Dein Krieg ist gerecht, Jeff. Du darfst töten und vergewaltigen. Mach dir keine Sorgen. Gott ist auf deiner Seite.

Krieg und Terrorismus – was ist der Unterschied? Du bist kein Terrorist, Jeff. Du führst einen gerechten Krieg. Du bringst den Menschen Demokratie und nimmst ihr Öl. Das ist mehr, als dein Urgroßvater den Indianern für Manhattan gegeben hat. Du investierst langfristig. Das ist lobenswert, Jeff. Du bist ein guter Mensch. Wir lieben dich. HELMUT BENRATH, Hamburg

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