Allein und zwangsweise geduldig

Die USA brauchen Zeit: für PR-Arbeit und Dipomatie wie für den Truppenaufmarsch

WASHINGTON taz ■ Die US-Regierung übt sich widerwillig in Geduld und gibt den UN-Inspektoren im Irak noch ein wenig Zeit. Dies ist kein plötzlicher Sinneswandel, sondern die schlichte Einsicht: Wir sind allein.

Die deutliche Kritik aus Europa, vor allem der deutsch-französische Schulterschluss, hat offenbar ihre Wirkung nicht verfehlt. Entgegen der martialischen Alleingangsrhetorik der letzten Tage dämmerte es den Kriegsbefürwortern, dass man einen Feldzug ohne verlässliche Partner schwer stemmen kann und der politische Flurschaden weltweit nicht kalkulierbar ist.

Zeitgewinn statt Kurskorrektur heißt das Motto. Den Militärstrategen im Pentagon kommt dieser Aufschub nicht ungelegen. Denn der Truppenaufmarsch am Golf hinkt dem ursprünglichen Zeitplan ohnehin hinterher und kann dann bis Ende Februar so weit abgeschlossen sein, dass ausreichend Soldaten und Gerät für eine Invasion bereitstehen.

Die US-Regierung betont zwar bei jeder Gelegenheit, dass sie keine zweite UN-Resolution für nötig hält, würde jedoch ein Sicherheitsrat-Mandat klar bevorzugen, das einen Krieg sanktionieren würde. Das gilt noch mehr für den einzigen wahren Verbündeten Großbritannien, zumindest was seinen Regierungschef anbetrifft. Premier Tony Blair soll Präsident George W. Bush zum Abwarten gedrängt haben, denn mit einem Kriegsvotum im Sicherheitsrat könnten Amerikaner und Briten gegenwärtig nicht rechnen. Gespannt blickt man daher auf den Besuch von Blair Ende der Woche in Washington, auf dem der Fahrplan für die weitere Konfrontation mit Bagdad besprochen werden soll.

Auch innenpolitisch steht Bush erstmals seit dem 11. September mit dem Rücken an der Wand. Eine Mehrheit der US-Bevölkerung lehnt einen Militärschlag zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab und wünscht sich längere Inspektionen. Dennoch glauben und hoffen die Bush-Getreuen, dass sich das Volk dann rechtzeitig zum Kriegsbeginn patriotisch hinter seinen Präsidenten stellen wird, wie es auch im ersten Golfkrieg der Fall war. Bittere Kämpfe und hohe Verluste eigener Soldaten könnten die Stimmung jedoch rasch umschlagen lassen.

Die Bush-Regierung will und muss die verbleibende Zeit daher für eine PR-Offensive nutzen. Die Welt soll überzeugt werden, dass die Inspektoren keine schlagenden Beweise für irakische Verstöße finden werden. Denn, so das Mantra aus dem Weißen Haus, US-Geheimdienste wüssten, dass Saddam Hussein verbotene Waffen besitze, aber verberge. Diese Behauptung konnten die USA bislang jedoch nicht stichhaltig belegen. „Wir haben unsere Botschaft bisher nicht überzeugend vermittelt“, gestand selbst Richard Haass, Planungsdirektor im US-Außenministerium, ein. Die Geheimdienstinformationen seien bruchstückhaft, würden nur von Experten verstanden und die Quellen müssten geschützt werden. Doch mittlerweile fordern selbst Kongressabgeordnete, die angeblichen Beweise endlich vorzulegen. Die Bush-Regierung ist im Zugzwang. Ihre Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel.

MICHAEL STRECK