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Archiv-Artikel

„Wieder Bücher!“

Die Fluxus-Künstlerin Alison Knowles zeigt in der Galerie Beim Steinernen Kreuz eine Buch- und Blättersammlung – und korrespondiert mit dem Thema der 27. Literarischen Woche Bremen

1933 als Tochter eines Literaturprofessors in New York City geboren, gehört die Künstlerin Alison Knowles seit den 60ern zur „Fluxus“-Bewegung . Passend zum Thema der diesjährigen Literarischen Woche zeigt sie mit „by way of correspondance“ in der Galerie Beim Steinernen Kreuz echte und metaphorische Buchseiten. taz: Sie setzen sich immer wieder mit dem Format Buch auseinander. Berühmt etwa Ihre Installation „The Big Book“ anlässlich der Frankfurter Messe 1967 –ein begehbares Buch… Knowles: Das Sensationelle daran war, dass ich eine Zeitlang in diesem Buch gelebt habe. Mir ging es darum, das Format, aber auch die Vorstellung vom Buch zu erweitern: Das raumgroße Buch mit Küche und Bibliothek erschien mir eine passende Metapher dafür, wie Menschen Bücher benutzen – man nimmt diese fremde Welt und versucht darin für eine Weile zu leben. Das Interessanteste an „The Big Book“ aber war, dass man von einer Seite zur andern gehen konnte, ohne es zu verlassen. Auch das schien mir eine gute Metapher zu sein.

Seit wann arbeiten Sie mit Büchern?

„The Big Book“ war die erste große Arbeit. Ich hatte aber bereits 1961 die „Bean Rolls“ gemacht. Das waren Dosen mit Bohnen, in denen sich Papierrollen mit Texten befanden.

Was fasziniert Sie an Büchern?

Ich habe einen literarischen Hintergrund.Obwohl ich nie dezidiert intellektuell oder gar akademisch mit Texten umgegangen wäre, hat mich das immer interessiert: Was ist das, ein Buch? Ich wollte es zu anderem in Beziehung setzen – Sound, Installationen, Performances. Lesen meint eben nicht nur einen intellektuellen Vorgang. Zum Lesen gehören auch der Körper oder die Klänge.

Viele der Buchseiten in „by way of correspondance“ sind kein „perfektes Papier“…

Mein Papier wird nicht gepresst. Ich zwinge das Material nicht, eine bestimmte Form anzunehmen. Es geht um Störungen. Aus dem geschöpften Papier werden in der Sonne oder im Wind Skulpturen. Ein Papiermacher sagte einmal zu mir, bei einem Papier sei etwas falsch gelaufen, er habe es zu dick gemacht. Aber diese Art von „falsch“ gibt es nicht. Wie die Blätter eines Baumes nie gleich sind, sollen es auch die Seiten nicht sein.

Zurück zum Titel – was korrespondiert in Ihrer Ausstellung mit was?

Jede Seite korrespondiert mit einem „sunprint“. Das Objekt wird „still gestellt“, also auf ein Stück Stoff gelegt, das mit lichtempfindlichen Substanzen bestrichen ist. Die Sonne lichtet es ab – wie, das kann ich nicht genau vorhersehen. Oft ist das Papier kombiniert mit anderen Gegenständen.Manchmal nehme ich alltägliche Gegenstände, die herumliegen, mit. Es kann aber Jahre dauern, bis ich sie verwende. Wenn ich sie wieder zur Hand nehme, säubere und betrachte, bekomme ich eine Ahnung von ihren ästhetischen Möglichkeiten. Als würde etwas Totes lebendig.

Zum Beispiel?

Eine wichtige Arbeit in dieser Ausstellung kam zustande, weil ein Student mir per Post ein Hemd geschickt hatte. Ich könne damit anfangen, was ich wolle. Als ich dieses Hemd mit Seiten aus meinen Arbeitsjournalen – wieder Bücher! – zusammenbrachte lösten sich die Notizbücher gleichsam auf und die Seiten wurden Teil von etwas anderem. Fragen: Tim Schomacker

By way of correspondance, Galerie Beim Steinernen Kreuz. Bis 8. März.