: Friedenspolitische Kärrnerarbeit
betr.: „Rettet den Pazifismus“, taz vom 20. 1. 02
Wenn Millionen von Menschen demonstrieren, sind auch viele mit mehr oder weniger krausen Ansichten dabei. Den kleinen pazifistischen Kern der Friedensbewegung für die damaligen oder späteren Meinungen dieser MitdemonstrantInnen verantwortlich zu machen, ist ziemlich unfair. Zumal die Positionen, die Robert Misik in seinem Artikel dem „Rest des pazifistischen Milieus“, das seiner Meinung nach „in völligem Infantilismus versunken“ ist, entgegenstellt, von Auslassungen und Widersprüchen gekennzeichnet sind.
Zwei Beispiele hierzu: Offensichtlich war aus Misiks Sicht der Angriff auf Jugoslawien wg. Kosovo vollkommen gerechtfertigt. Erinnern wir uns: In Rambouillet waren die Verhandlungen kurz vor einem Abschluss, der eine Stationierung von Friedenstruppen dort ermöglicht hätte (aus pazifistischer Sicht wahrlich keine ideale Lösung, aber in jedem Fall besser als ein Krieg). Der Vertragsabschluss wurde durch das Beharren der USA auf dem so genannten Annex B verhindert, der das gesamte Gebiet Jugoslawiens (also Serbien samt Kosovo und Montenegro) einem militärischen Besatzungsstatut unterstellt hätte. Nach zehn Wochen Krieg wurde ziemlich genau das, was sich in Rambouillet als Einigung abgezeichnet hatte, vereinbart – ohne Annex B. Ist es wirklich infantil, zu sagen, das wäre ohne Krieg auch zu haben gewesen, wenn die USA ihren unsinnigen Annex B gleich zurückgezogen hätten?
Genauso fragwürdig ist Misiks Aussage: „Alle Kriege der vergangenen zehn Jahre – vom Golfkrieg 1991 über Bosnien und Kosovo bis zum Afghanistanfeldzug – hatten, wenngleich auf unterschiedliche Weise, den Charakter internationaler Polizeiaktionen mit militärischen Mitteln.“ Polizeiaktionen, bei denen Schulen, Wasserwerke, Brücken bombardiert werden? Polizisten, die Streubomben einsetzen, deren Blindgänger anschließend auf Jahre hinaus Menschenleben gefährden, und Geschosse, die abgereichertes Uran enthalten? Zum Glück gibt es nirgendwo auf der Welt derartige Polizeikräfte. […] UTE FINCKH, Berlin
Aus der „dumpfen“ und „infantilen“ Ecke kommend, doch eine kleine Anmerkung. „Nie wieder Auschwitz!“ – Jawohl, aber auch Herr Fischer darf es nicht wagen, tausende deutscher Soldaten in einen heißen Krieg zu jagen. Die Erfahrung der letzten zehn Jahre, von Ruanda bis Srebrenica, von Kosovo bis Afghanistan macht deutlich, dass die westlichen Staaten gerade nicht bereit sind, Soldaten in „humanitären Interventionen“ zu opfern. Bei den Warlords jeder Richtung ist diese Botschaft angekommen, was die Welt nicht friedlicher gemacht hat! […]
Vielleicht ist ja statt großer Rhetorik friedenspolitische Kärrnerarbeit angebracht, an den vielen „kleinen“ Konzepten und Modellen ziviler Konfliktlösung und gesellschaftlicher Deeskalation.
JOCHEN DUDECK, Nordenham
[…] Gegen die Absicht, militärische Optionen kritisch zu differenzieren, ist grundsätzlich nichts einzuwenden, in diesem Fall allerdings schon. Denn es reicht nicht, theoretisch zwischen einem UN- und einem US-Krieg zu unterscheiden, solange der Widerspruch zwischen einer mit Gewalt durchgesetzten „Pax Americana“ und den Zielen einer vernünftigen Weltinnenpolitik unberücksichtigt bleibt, einer Politik also, die sich unter keinen Umständen zum Handlanger einer kriminell agierenden amerikanischen Öl-Oligarchie machen sollte.
Kurz: Wer den Saddam nicht mit dem Bush austreiben möchte, der wird sogar als „bedingter Pazifist“ abwägende Überlegungen zu Kriegszielen im Irak unterlassen. Und weiterhin den Einsatz aller Friedensmittel fordern, die international noch zur Verfügung stehen, um aus dem Irak ein verhandlungsfähiges und -bereites Land zu machen. PETER WITT, Düsseldorf