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Archiv-Artikel

PORTO ALEGRE HAT SICH ETABLIERT – UND WIRD IMMER MEHR WIE DAVOS Die Wir-Seligkeit reicht nicht mehr

Vom bloßen Anti-Gipfel 2001 hat sich Porto Alegre in diesem Jahr zu einem Ereignis entwickelt, das weltweit ernst genommen wird. Das zeigt, dass die Globalisierungskritik in die Mainstream-Diskussionen vordringt. Gleichzeitig hat diese Etablierung aber auch eine Schattenseite. Porto Alegre wird offiziellen Gipfeln wie Davos immer ähnlicher, und das bringt einige Probleme mit sich.

Längst geht es nicht mehr nur um die bloße Ablehnung einer neoliberalen Globalisierung. Auch reicht es vielen Teilnehmern nicht mehr, in einem Gefühl der Wir-Seligkeit für die gute Sache zu demonstrieren. Vielmehr erwarten sie heute einen praktischen Nutzen von dem gigantischen Treffen. Ganz wie in Davos spricht man in Porto Alegre heute von „Networking“.

Darum muss das Forum sich davor hüten, zum bloßen Ritual zu degenerieren. Die großen Themen der Globalisierung sind in diesem Jahr nicht viel anders als im letzten. Jedes Jahr zusammenzukommen und die gleichen Forderungen aufzustellen wie im Vorjahr – das macht schon Davos. Von dort kennt man auch den Starkult, der um die Helden der Ökonomie betrieben wird. In Porto Alegre werden die Helden der Gegenbewegung vergöttert. Geht die Entwicklung so weiter, werden Noam Chomsky und Susan George demnächst Kinderköpfe streicheln und Bäumchen pflanzen. Schließlich müssen sich die Teilnehmer von Porto Alegre immer wieder vor Augen halten, dass sie einen globalen Anspruch haben. In Davos dominiert das Wirtschaftsmodell der Industrienationen; aus dem reichen Norden kommen deutlich mehr Gäste als aus dem armen Süden. In Porto Alegre besteht die Grenze eher zwischen West und Ost: Die allermeisten Teilnehmer sind Latinos, der Rest fast ausschließlich Europäer. Auch wenn man das in Porto Alegre nicht gerne hört: Der christlich-abendländisch geprägte Kulturkreis dominiert. Aus Asien und Afrika kommen nur ein paar wenige Prominente wie Martin Khor oder Walden Bello. Gut, dass das nächste Weltsozialforum in Indien stattfinden soll: Es wird die Begeisterung für den linken Präsidenten Lula und die Ablehnung der gesamtamerikanischen Freihandelszone in den Hintergrund drängen und Platz für die Probleme der asiatischen Region machen.

Mit dem Wegzug aus Porto Alegre dürfte allerdings auch die lockere Partystimmung vorbei sein. Unten Minirock, oben Bikini-Oberteil – das passt nicht nach Indien. Und je nachdem, für welchen Teil des Landes sich die Veranstalter entschließen, könnten im nächsten Jahr erstmals Sicherheitsvorkehrungen notwendig werden. Dann hätte das Weltsozialforum noch eine weitere Gemeinsamkeit mit Davos. KATHARINA KOUFEN