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Archiv-Artikel

Wendungen als Kontinuität verkauft

betr.: „Kapitalismus gescheitert“

Das Polit-Gesülze der zurzeit hochkonjunkturellen Finanzkrisen-Talks über alle Medien lässt uns staunen und wundern. Obwohl, warum wundern? Es sind ganz normale Reaktionen der Akteure eines Marktes, insbesondere Finanzmarktes, der sehr begrenzt kalkulierbar ist, was im Wirken der Konkurrenz elementar bedingt ist. Staunende Empörung sollte es jedoch auslösen, für wie dumm und einfältig man uns offenbar hält. So üben sich Vertreter aus Wirtschaft, Finanzwelt und Politik in heuchlerischer, bisweilen verblüffend offener Kritik. Staunend hören wir, wie selbst Insider des Finanzgeschäfts plötzlich eingestehen, wie verwerflich mit zweifelhaften und kriminell riskanten „Produkten“ spekuliert, gehandelt und gespielt wird. Fast wie reuige Sünder sitzen einige in den Runden, die sonst eher lautstark vom ungebremsten Markt tönen, die Selbstheilungskraft beschwören und jede Regulierung verteufeln. Davon wissen sie nichts mehr und tun so, als seien sie nur immer falsch verstanden worden. Neidlos muss anerkannt werden, wie hier Wendungen vollzogen werden und noch als Kontinuität verkauft werden.

Der Gipfel der Heuchelei ist es, wenn regulierendes Eingreifen des Staates (Steuerzahlers) als Bürgschaft bzw. Kapitalspritze unter dem Vorwand gefordert wird, dass es nur von der Sorge um die vielen kleinen Sparer, um die Arbeitsplätze, um den Sozialstaat gehe. Jede Frage nach einer Gegenleistung an Staat und Bürger stößt auf ablehnendes Schweigen. Die leiseste Anfrage danach, warum es angesichts eiligster Verfügbarkeit vieler Milliarden nicht möglich sei, einige brennende soziale Probleme zu finanzieren, stößt sofort auf massive Vorwürfe des ideologischen Populismus. Schuldige an der Misere, nein, die gibt es auch nicht wirklich. Selbst Mitglieder der Vorstände geben sich unwissend, getäuscht und bekennen Unkenntnis der Finanzmaterie.

Zudem gibt es strafrechtlich keine Handhabe, wie zu hören ist. „Feuer löschen“ sei die dringliche Aufgabe, keine Parteienpolitik und der zweifelhafte Ruf nach Regularien erklingt. Was keineswegs sein darf: Fehler am System erkennen. Schuldige sind bestenfalls in den USA zu sehen und ansonsten hat es dabei zu bleiben – Verluste sozialisieren und Gewinne weiterhin privatisieren.

ROLAND WINKLER, Remseck