: off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
„Was dem Studenten fehlt – es ist das Geld nur, das liebe Geld.“ Das ist nun wirklich kaum jemals anders gewesen, und auch Bafög hat daran bis heute nicht viel geändert. Im Prag des 19. Jahrhunderts hatte man von Bafög natürlich noch nichts gehört – es steht jedoch auch sehr zu bezweifeln, dass staatliche Beihilfe dem guten Balduin (Conrad Veidt) jene Mengen an Penunze verschafft hätte, die er glaubt nötig zu haben, damit er um die schöne Grafentochter Margit (Agnes Esterhazy) werben kann. Das Geschäft, das er deshalb abschließt, ist allerdings kein gutes: Die Mephisto-Figur Scapinelli (Werner Krauss) reicht Balduin zwar die Goldtaler herüber, nimmt dafür jedoch sein Spiegelbild mit – jenes zweite, im Zweifelsfall böse Ich, das dem Studenten noch viel Ärger bereiten wird. Das kann nicht gut ausgehen.
Henrik Galeens „Der Student von Prag“ (1926) war bereits die zweite Verfilmung des unheimlichen Stoffes von Hanns Heinz Ewers: Mit dem gleichnamigen Kinowerk von Stellan Rye aus dem Jahr 1913 hatte in Deutschland die Entwicklung des „künstlerischen“ Films von internationalem Rang eingesetzt; die phantastischen Stoffe blieben anschließend auf Jahre hinaus die Domäne des deutschen Kinos. Auch der Autor und Regisseur Henrik Galeen hatte bereits an mehreren frühen „Horrorfilmen“ mitgearbeitet (so etwa an Paul Wegeners erstem „Golem“ und an F. W. Murnaus „Nosferatu“), doch sein „Student von Prag“ ist – abgesehen von der Schlusssequenz – vor allem ein Charakter- und Gesellschaftsdrama.
Dies drückt sich auch in der Besetzung aus: Der grüblerische Conrad Veidt ist in seiner schlanken Eleganz die ideale Besetzung für diese melancholische und zerrissene Figur, die nach Höherem strebt und am Ende alles verliert – die erste Fassung mit dem kantigen Paul Wegener, einem Schauspieler von großer physischer Präsenz, in der Titelrolle präsentierte sich da doch eher als eine Art Action-Spuk-Melodram. Faszinierend anzusehen ist auch Werner Krauss, der mit seiner körperlichen Dynamik die wenigen Szenen, in denen er auftritt, an sich reißt. Das einprägsamste Bild des Films ist eine Einstellung, die Scapinelli mit Mantel, Regenschirm und einem hohen Hut im Gegenlicht auf einem Hügel neben einem verkrüppelten Baum stehend zeigt: sehr seltsam, unheimlich und unvergesslich.
„Der Student von Prag“ 2.2. im Filmkunsthaus Babylon 1
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Zu den interessantesten Schauspielern deutscher Zunge gehörte zweifellos auch Peter Lorre. Mit der Darstellung des getriebenen Kindermörders in Fritz Langs „M“ zu Ruhm gekommen, blieb Lorre jedoch lange dem immer gleichen Rollenfach verhaftet: Psychopathen und Exoten waren sein Metier. Auch Lorres einzige Regiearbeit „Der Verlorene“, für die der Schauspieler 1951 aus seinem amerikanischen Exil noch einmal nach Deutschland zurückkehrte, ist deutlich dem Vorbild Lang verhaftet. Erneut spielt Lorre einen verzweifelten Mörder, der hier unfreiwillig in unselige Machenschaften der Nazis verwickelt wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg holt ihn die Vergangenheit ein, als er in einem Flüchtlingslager, in dem er als Arzt arbeitet, auf einen Mitwisser trifft.
Im bundesdeutschen Nachkriegskino ist „Der Verlorene“ zwischen Schwarzwaldmädeln, Oberförstern und heiratsfähigen Sekretärinnen eine absolute Ausnahme: In seiner Inszenierung orientiert sich der Regisseur Lorre am amerikanischen Film noir und entwirft eine düstere und klaustrophobische Albtraumwelt, durch die der Schauspieler Lorre wie ein Traumwandler hindurchschreitet – resigniert, melancholisch, ganz und gar fremd. Somit war der kommerzielle Misserfolg eigentlich vorprogrammiert – trotzdem traf die Ignoranz des Publikums Peter Lorre empfindlich. Er kehrte nach Hollywood zu seinen Nebenrollen zurück und blieb letztlich auch dort fremd und verloren.
„Der Verlorene“ 4.2. im Arsenal 2
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Ohne Zweifel handelt es sich bei „Letztes Jahr in Marienbad“, jenem von Alain Resnais inszenierten, faszinierenden Geflecht aus Träumen, Imaginationen und Erinnerungen, um eine Komödie von erstem Rang: Wer sich nicht spätestens bei den Szenen mit dem von Sacha Pitoeff meisterlich beherrschten Streichholzspiel köstlich amüsiert, der besitzt keinen Humor. Ansonsten gibt es: wunderbare Kamerafahrten, die kühle Delphine Seyrig und den „Zierrat einer anderen Zeit“ im mondänen Schlosshotel.
„Letztes Jahr in Marienbad“ 2.2. in der Urania
LARS PENNING