WOLFGANG CLEMENT VERKAUFT EINE POLITIK – DIE ER NICHT MACHT
: Hübsche Slogans reichen nicht

Der Hang zur schönen Verpackung ist bei Wolfgang Clement unverkennbar. Innovationsinitiative, Mittelstandsoffensive, Masterplan Bürokratie-Abbau – diese Begriffe des Wirtschaftsministers sind aus dem Glauben geboren, dass Politik Erfolg hat, wenn sie nur gut verkauft wird. Doch bei Clement drohen die Wörter wirkliches Handeln zu ersetzen. Und sie suggerieren Lösungen, die sie nicht beinhalten.

Bei der Vorstellung seines Jahreswirtschaftsberichtes hat sich der Minister gestern wieder für Reformen gelobt, die unvermeidbar sind. Liberalisierung des Ladenschlusses, Lockerung des Kündigungsschutzes, Druck auf lahme Arbeitsämter: Auch wenn es SPD-Traditionalisten und Gewerkschaftern nicht passt, kann sich Deutschland solchen Veränderungen kaum verweigern, wenn sie in Nachbarländern wie den Niederlanden und Großbritannien dazu beigetragen haben, die Erwerbslosigkeit zu reduzieren.

Ein bisschen Deregulierung, ein paar Förderprogramme für den Mittelstand, alle mal anpacken – und dann, so scheint Clement überzeugt, wird in ein paar Jahren das alte Modell der Vollbeschäftigung in neuem Glanz erstrahlen. Doch daran ist gar nicht zu denken. Der Faktor Arbeit ist zu teuer, Kapital dagegen zu billig, was zu weiteren massiven Jobverlusten führen wird. Wer daran etwas ändern will, muss Arbeit dramatisch billiger machen. Die überbordenden Kosten der Sozialsysteme dürften dann nicht mehr über die Arbeit finanziert werden – sondern etwa durch höhere, möglichst internationale Steuern auf Energie und Kapital. In diese Richtung aber tut die Bundesregierung viel zu wenig. Mit der Steuerbefreiung für Unternehmensverkäufe, die geplanten Ministeuersätze auf Aktiengewinne von 15 Prozent und auf Zinseinkünfte von 25 Prozent lässt man Quellen sprudeln, ohne das Wasser umzuleiten.

Nach dem Ende der industriell geprägten Arbeitsgesellschaft steht das gesamte System der Finanzierung öffentlicher Aufgaben zur Disposition. Da braucht es ein bisschen mehr als ein paar gute Slogans. HANNES KOCH