bushs rede
: Endlich in ernster Bedrängnis

Es mag Wunschdenken sein, den US-Präsidenten schon im Niedergang zu sehen. Aber die mit Spannung erwartete Rede zur Lage der Nation des US-Präsidenten Bush wirkte in weiten Teilen wie die Rede eines Losers. Kraftlos schleppte sich der Präsident durch allerlei Versprechungen im innenpolitischen Beginn seiner Ansprache, um dann im zweiten, mit mehr Verve vorgetragenen Teil kurz vor der Kriegserklärung an den Irak stehen zu bleiben.

Kommentarvon BERND PICKERT

Dabei wiederholte Bush alle noch so abgegriffenen Positionen aus Washington, offenbar immer noch in der Annahme, stete Repetition entfalte irgendwann doch Überzeugungskraft. Es war wohltuend zu sehen, wie die US-Demokraten, in einer Art politischem Comeback nach ihrer nicht zuletzt durch Leisetreterei selbst verschuldeten Wahlniederlage im November, dem Präsidenten auf ganzer Linie Paroli boten.

In einer Schärfe, wie sie nicht einmal Clinton zu Zeiten der republikanischen Amtsenthebungsversuche erfahren musste, lehnte der demokratische Sprecher Gary Locke in seiner Antwort die Politik der Regierung ab. Von den Standing Ovations, die der Präsident noch im vergangenen Jahr bei seiner „Achse des Bösen“-Rede entgegennehmen konnte, war keine Spur mehr. Die Spaltung des Landes über die Politik der erzkonservativen Regierungsclique manifestiert sich endlich auch an der Stelle, die im politischen Jahreskalender normalerweise für überparteiliche Popularitätswerte des Präsidenten sorgt.

Der Bonus durch den 11. September schwindet, genau wie die Furcht der Opposition. Eine Regierung, die, obwohl umstritten ins Amt geraten, eine ultrarechte Agenda umsetzt, die zugunsten kleiner Minderheiten das Land ruiniert, bekommt jetzt die Schwierigkeiten, die sie verdient.

Damit ist freilich die Kriegsgefahr noch nicht gebannt, im Gegenteil. Zwar sieht sich selbst Bush genötigt, noch eine weitere Runde des Argumentierens im Sicherheitsrat einzulegen, und es kann nur gut sein, wenn die UN-Inspektoren und der Sicherheitsrat endlich erfahren, was für Beweise die USA seit Monaten zu haben vorgeben. Bloß: Bush hat sich erneut auf eine Linie festgelegt, die Argumenten und Gegenbeweisen gegenüber hermetisch abgeschlossen ist. Damit bleibt die Entscheidung über Krieg und Frieden ein offener Machtkampf des Weißen Hauses und des Pentagons mit dem Rest der Welt. Verlieren will Bush nicht – aber ein Ausweg ist auch nicht in Sicht.