: Deutschland ist ein Kirchenstaat
betr.: „Zweierlei Religionskritik“ von Rudolf Walther, taz vom 29. 9. 08
Mit seinen zum Teil unbegründeten und polemischen Vorwürfen gegen die gemäß seiner undifferenzierten Zweiteilung böse Religionskritik erfüllt der Kommentator genau das, was er selbst an Vorwürfen erhebt. Seine Auslassungen sind zum Teil auch „simpel gestrickt“, „platt“, „grobschlächtig“, „ohne den Hauch eines empirisch belastbaren Belegs“.
Einen „neutralen Umgang des Staates mit allen Religionen“ fordert er zu Recht und diagnostiziert sogleich, dass „die christlichen Kirchen ihre politischen Ansprüche und Vorbehalte gegenüber dem Vorrang von Rechtsstaat und Demokratie langsam und (fast) freiwillig abrüsten“. Falsch, Herr Walther, denn wenn man vorurteilsfrei hinschaut, stellt man leicht fest, dass Deutschland ein „Kirchenstaat“ ist, in dem das Christentum eindeutig bevorzugt wird (siehe unter der Vielzahl von Belegen u. a. taz vom 25. 8. 08). Und die Forderung von Habermas am Schluss des Kommentars zu zitieren ist völlig überflüssig, denn wo eigentlich „reduziert der demokratische Staat (…) die polyphone Komplexität der öffentlichen Stimmenvielfalt vorschnell“? Etwa in Ethikkommissionen oder Medien, in denen kirchliche Würdenträger und Theologen reichlich vertreten sind?
Geradezu lächerlich wirkt dieses Zitat angesichts der Vielzahl anmaßender Äußerungen von zum Beispiel Frau von der Leyen, CDU: „Die Artikel des Grundgesetzes fassen im Prinzip die Zehn Gebote zusammen“, „Gott ist stärker als der Berliner Senat“, so auf einem Transparent bei einer Demo gegen den Berliner Werteunterricht, Christian Wulff, CDU: „(…) verdanken wir der christlichen Ethik, auf der unsere Gesellschaftsordnung basiert.“ (Kirchenbote, 5. 12. 05). Nein, jeder Schüler lernt es, unsere Gesellschaftsordnung beruht auf dem Grundgesetz, das vereinbarungsgemäß für alle gilt und nur in dessen Rahmen Weltanschauungen wie Religionen ihre Freiheit garantiert werden kann. PETER REICHL, Osnabrück