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Archiv-Artikel

Junge Kurden wegen Landfriedensbruchs verurteilt

Der voraussichtlich vorletzte Prozess wegen der Krawalle am israelischen Generalkonsulat vor fast vier Jahren: Damals jugendliche Täter müssen Freizeitarbeiten verrichten. Die israelischen Todesschützen standen bis heute nicht vor Gericht. Die Verteidiger gehen gegen das Urteil in Revision

Fast vier Jahre nach der Schießerei am israelischen Konsulat ist ein Ende der juristischen Aufarbeitung absehbar – zumindest für Vergehen, die kurdischen Angeklagten vorgeworfen werden: Gestern verurteilte das Landgericht drei junge Kurden wegen einfachen Landfriedensbruchs zu Freizeitarbeit. Die Angeklagten, heute zwischen 20 und 23 Jahren alt, müssen als Strafe jeweils 30 gemeinnützige Einsätze à sechs Stunden ableisten.

Den Angeklagten war vorgeworfen worden, im Februar 1999 bei Krawallen von 50 bis 60 Kurden wegen der Verhaftung des damaligen PKK-Führers Abdullah Öcalan in das Generalkonsulat in Schmargendorf eingedrungen zu sein. Die israelische Vertretung war Ziel der Randale geworden, da die Kurden Gerüchten folgten, wonach der israelische Geheimdienst Mossad bei der Verhaftung Öcalans seine Hände im Spiel gehabt haben soll. Durch die Schüsse israelischer Sicherheitsbeamter waren während der offensichtlich versuchten Besetzung des Konsulats 16 Kurden verletzt worden, vier von ihnen tödlich.

Am Anfang des nun beendeten Prozesses waren die jungen Kurden auch dem Vorwurf ausgesetzt, eine israelische Angestellte des Konsulats am Verlassen des diplomatischen Vertretung gehindert zu haben. Dieser Vorwurf der Freiheitsberaubung wurde aber im Laufe des Verfahrens fallen gelassen.

Die Staatsanwaltschaft warf den Angeklagten vor, die Angestellte im ersten Stock des Gebäudes zeitweise in ihrer Gewalt gehabt zu haben. Im Gegensatz zu anderen Kurden, die vor dem Konsulat randaliert hatten, ging die Anklage in diesem Verfahren davon aus, dass die Schuld der Angeklagten leichter zu beweisen und strenger zu ahnden sei. Allerdings stand die damalige israelische Angestellte des Konsulats dem Gericht nicht als Zeugin zur Verfügung.

Während die israelischen Schützen, geschützt durch diplomatische Immunität, nie vor Gericht standen, gab es gegen die beteiligten Kurden rund 20 Verfahren. Gegen 50 Demonstranten hatte die Polizei ermittelt, mehr als 30 standen vor Gericht. Die Urteile der Gerichte sahen nur Bewährungsstrafen und Freisprüche vor. Die höchste Strafe lautete auf zwei Jahre auf Bewährung.

Das gestern mit einem Urteil abgeschlossene Verfahren hatte bereits im November 2000 gegen sechs Angeklagte begonnen, war aber ein Jahr später neu aufgerollt und auf drei junge Kurden konzentriert worden. Wegen des jugendlichen Alters der Angeklagten fanden die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Von der Verurteilung eines zur Tatzeit 15-jährigen Mädchen sah die Jugendstrafkammer schon früh ab, da deren Schwestern bei der Schießerei ums Leben gekommen war. Die Kammer urteilte, die Jugendliche sei durch den Tod der Schwester schon genug bestraft.

Die Verteidiger der Angeklagten kritisierten das Gericht, das sich ihrer Ansicht nach zu früh im Verfahren darauf festgelegt hatte, wie der Ablauf des Geschehens in Schmargendorf gewesen sei. Die Atmosphäre im Gerichtssaal sei „ziemlich vergiftet“ gewesen, klagte Rechtsanwalt Ronald Reimann. Verteidiger Thomas Moritz warf dem Gericht vor, keine Zeugen aus Israel gehört zu haben, obwohl sich Israel kooperativ gezeigt habe. So habe die israelische Seite zur Zeugenvernehmung etwa eine Videokonferenz vorgeschlagen – eine Idee, die die Kammer aber nicht aufgegriffen habe.

Wegen der Schießerei am Generalkonsulat hatte das Abgeordnetenhaus 1999 einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Das parlamentarische Gremium hatte nach monatelanger Ermittlung der offiziellen israelischen Version widersprochen, wonach es sich bei den Todesschüssen gegen die Kurden stets um Notwehrsituationen gehandelt habe. Auch der damalige israelische Botschafter Avi Primor rückte vergangenes Jahr auf Anfrage der taz von dieser Darstellung ab – er war mittlerweile nicht mehr im auswärtigen Dienst Israels tätig. Im Laufe der letzten Jahres hat es wegen der Todesschüsse der Israelis hinter den Kulissen zwischen der Bundesrepublik und Israel diplomatische Verwicklungen gegeben.

In internen Unterlagen warf das Gericht den israelischen Behörden vor, Zusagen gebrochen und Gepflogenheiten bei internationalen Rechtshilfeersuchen verletzt zu haben. So seien etwa erste Versuche eines Vorläuferverfahrens im Jahr 1999, die israelischen Schützen zu laden, von den Behörden in Israel nicht beantwortet worden. Die dortigen Behörden hätten auf die Anfrage des Gerichts, eine Ladung der Sicherheitsbeamten betreffend, über 30 Monate nicht reagiert. Intern kritisierte das Gericht, dass die deutschen Ermittler offenbar die ihnen bekannten Namen der Schützen nicht in den Akten vermerkt hätten, um diplomatisch heikle Verhöre der Israelis in Deutschland zu vermeiden.

In dem beendeten Verfahren wollen die Anwälte Revision einlegen, so Reimann. Hintergrund ist die Unzufriedenheit der Verteidiger mit dem Gericht, gegen das sie gleich mehrere Befangenheitsanträge stellte, die jedoch immer abgelehnt wurden. Für das Revisionsverfahren wird der Bundesgerichtshof zuständig sein. Nach Einschätzung Reimanns sei frühestens Ende des Jahres mit einem Urteil zu rechnen. PHILIPP GESSLER