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Archiv-Artikel

„Ich bin die Wanders, aber Lilo ist nicht ich“

Die langbeinige Eros-Diva aus der Glotze gastiert drei Tage am Jungen Theater – mit dem Marlene-Dietrich-Monolog „Der graue Engel“ von Moritz Rinke

Der gemeine Zapper kennt sie aus der Glotze, von ihren Moderationen zwischen Pornosternchen-Interviews und Dildomanufaktur-Reportagen: Seit 1994 moderiert die „Primadonna des Bettgeflüsters“ auf VOX das Sex-Magazin „Wa(h)re Liebe“. Dabei ist Lilo Wanders, die mit bürgerlichem Namen Ernie Reinhard heißt und auf einem Bauernhof bei Stade lebt, doch ein Kind der Bühne: Varietés, Galas und Cabarets machen die eigentliche Welt der postmodernen Diva aus.

Frau Wanders oder Herr Reinhard, wie soll man Sie eigentlich ansprechen?

Hier spricht die Wanders.

Ab Donnerstag tingelt die Wanders also nach Bremen...

Genau. Ich freu mich drauf, weil ich das Stück von Moritz Rinke sehr liebe. Und Bremen mag ich auch. Ich hab‘ mal ein Jahr dort gewohnt, in der Neustadt, in der Gneisenaustraße.

Wie lange ist das her?

Gut 25 Jahre. Zu der Zeit hab‘ ich in verschiedenen Bremer Bibliotheken Vor-Praktika gemacht, weil ich in Hamburg Bibliothekswesen studieren wollte. Das Studium habe ich dann irgendwann abgebrochen.

Was reizt Sie an dem Rinke-Stück über die Dietrich?

Das geht beim Bühnenbild los: Der Boden ist mit Schotter bedeckt. Rinke hat an eine Parklandschaft gedacht, es könnte aber auch ein innerer Raum oder ein Friedhof sein, über den sich Marlene bewegt. Das Stück ist ein „Monolog zu zweit“, es gibt einen Partner: Das ist die Musik, die drängend und bedräuend ist. Man kann das als eine Art Tinnitus verstehen. So wie man besessen ist von einem Ohrwurm, den man nicht los wird. Marlene redet dagegen an, kämpft mit der Musik – und mit der Sprache.

Welche Züge verleiht Rinke der alten Dietrich?

Marlene kommt rein und hat gnadenlos schlechte Laune: „Wieder ein neuer Tag“ raunzt sie und versucht die Zeit rumzukriegen. Niemand mehr interessiert sich für sie, aber sie hält ihre Fassade eisern aufrecht und sagt sich: Man muss künstlich leben, damit man nicht bröckelt. Das macht das Stück so zeitgemäß: Das Image, die Fassade ist das Wichtigste. Das Stück ist bösartig – aber dadurch auch anrührend: Jeder hat ja schon Erfahrungen gemacht mit alten Menschen, mit der Einsamkeit des Alters.

Was machte denn die historische Figur Marlene aus?

Dieses Beharren auf einer Künstlichkeit, die sie selbst errichtet hatte. Dieses Gnadenlose gegen sich selbst und gegen ihre nächsten Mitmenschen. Darüber hinaus war Marlene eine sehr schöne Frau – sie hatte, was die wenigsten Menschen haben, ein symmetrisches Gesicht. Die Kamera hat das geliebt. Die Dietrich war ein Superstar.

Lassen Sie bei aller Künstlichkeit auf der Bühne Authentisches aufblitzen?

Die Marlene-Figur lässt das nicht zu. Es gibt ganz zum Schluss einen leisen Moment, wo es fast kippt. Doch dann sagt sie: „So ‘n Quatsch.“ Das macht auch die Komik des Stücks aus: Dass sie sich – obwohl sie wirklich am Ende ist – immer wieder zusammenreißt und sagt: Ne, lass ich nicht zu, kommt nicht in Frage.

Gibt es, jenseits Ihrer marlenemäßigen Beine, Parallelen zur Dietrich?

Ich habe wirklich sehr schöne Beine. Ansonsten gibt‘s Parallelen höchstens in dieser scheinbaren Künstlichkeit. Die Kunstfigur Lilo Wanders bin ich, ich fülle diese Rolle aus. Allerdings: Ich bin die Wanders, aber Lilo ist nicht ich. Und die Figur Wanders hat ihre Brüchigkeiten. Wenn ich einen Galaauftritt habe, komme ich in einem gigantischen Fummel auf die Bühne, habe aber eine Plastiktüte dabei. Im Übrigen: Die Dietrich hatte keinen Humor, das ist wohl der größte Unterschied zwischen uns.

Fragen: Markus Jox

Vorstellungen am 6., 7. und 8. Februar, jeweils um 20.30 Uhr im Jungen Theater am Güterbahnhof / Tor 48